"Ich werde beschimpft und bedroht"
5. April 2015Deutsche Welle: Herr Ulrich, wie ist denn rund zwei Tage nach dem Anschlag die Stimmung in Tröglitz?
Götz Ulrich: Die Stimmung ist bedrückt. Selbst bei denen, die sich gegen die Flüchtlingsunterbringung ausgesprochen haben, herrschen Verwunderung und Entsetzen darüber, dass es dazu gekommen ist. Wir haben uns am Samstag zu einer Kundgebung getroffen, bei der sich viele der Befürworter der Flüchtlingsunterkunft zu Wort gemeldet haben. Es gehört aber auch zur Wahrheit dazu, dass am Rande der Kundgebung einige der Gegner der Unterbringung dabei waren.
Wie sind die Gegner aufgetreten?
Zunächst haben sie sich zurückgehalten und keine Reaktionen gezeigt. Aber dann gab es einige, darunter ich, die das Gespräch mit den Gegnern gesucht haben. Ich hatte den Eindruck, dass sie selber gemerkt haben, dass das, was sie angeschoben haben - ohne, dass ich ihnen jetzt die Schuld für die Brandstiftung in die Schuhe schieben will - zu dieser untragbaren, unverschämten, kriminellen Reaktion der Brandstiftung geführt hat.
Was können Sie derzeit zu den Ermittlungen sagen?
Dafür ist das Landeskriminalamt zuständig. Alle gehen davon aus, dass es sich um Brandstiftung handelt. Der leitende Oberstaatsanwalt hat das am Samstag eindeutig bestätigt.
Im März ist der Bürgermeister von Tröglitz, Markus Nierth, zurückgetreten, weil er sich von Rechten bedroht fühlte. Jetzt der Anschlag auf das geplante Flüchtlingsheim. Ist es Flüchtlingen überhaupt noch zumutbar, im Burgenlandkreis untergebracht zu werden?
Es gibt zahlreiche Beispiele auch im Burgenlandkreis, wo die Unterbringung, Betreuung und Integration der Asylbewerber gut funktioniert: Hohenmölsen, Eckartsberga. Oder die Städte Naumburg, Weißenfels, Zeitz. Tröglitz ist schon eine besondere Situation. Ich muss aber auch sagen: Es ist nicht nur schwierig für die Asylbewerber mit dieser Situation klarzukommen, sondern es ist auch für uns Kommunalpolitiker eine besondere Herausforderung. Wir werden auch nicht von allen mit Beifall belohnt, dass wir uns für Integration einsetzen. Ich habe gerade heute wieder zahlreiche E-Mails bekommen, wo ich beschimpft werde und wo mir gedroht wird, dass "weitere Schritte unternommen" werden.
Warum passiert das ausgerechnet im 2800-Einwohner-Ort Tröglitz?
Wenn man dafür eine ganz klare Antwort hätte, könnte man dort auch besser gegensteuern. Ich glaube, es liegt weniger an den Tröglitzern, sondern daran, dass sich einige aus der rechten Szene diesen Ort ausgeguckt haben, hier demonstriert haben. Es ist so etwas wie ein Kräftemessen daraus entstanden, ob es die öffentliche Hand, also der Burgenlandkreis, schafft, bei so viel Gegenwehr aus der rechten Szene eine Unterbringung durchzuführen.
Sie haben nach dem Anschlag angekündigt, an der geplanten Unterbringung von 40 Flüchtlingen in Tröglitz festhalten zu wollen. Wo sollen diese denn jetzt unterkommen?
Die Immobilie selbst ist derart geschädigt, dass die Renovierung sicherlich Monate dauern wird. Es ist ja nicht nur der Brandschaden, sondern es hat durch die Löscharbeiten die gesamte Immobilie Schaden genommen. Aber es gibt jetzt aus der Bevölkerung Angebote zur Unterbringung in einzelnen Wohungen. Und es gibt auch weitere leerstehende Immobilien. Wir werden den Versuch der Unterbringung in Tröglitz eher beschleunigen, damit ein klares Signal ausgeht, dass eine solche kriminelle Tat die Unterbringung nicht verschieben oder verhindern kann. Wir halten an unserem Konzept fest, vor allem Familien aus Kriegsgebieten unterzubringen.
Die Asylbewerber, die kommen, werden die ganze Vorgeschichte aus Tröglitz ja mitbekommen. Wie haben Sie vor, auf diese Menschen und ihre Ängste einzugehen?
Das ist etwas, was die Tröglitzer selbst mit in die Hand nehmen müssen. Sie müssen jetzt das Netzwerk, das sie vor einigen Wochen gestrickt haben, so weit bringen, dass es eine gute Begrüßungskultur gibt. Wir haben vor drei Tagen erst in Hohenmölsen, einem Nachbarort, die Asylbewerber zum ersten Mal begrüßt. Da standen Einheimische mit Geschenken vor der Tür, als die Asylbewerber eintrafen. Jetzt am Osterwochenende gibt es dort zahlreiche Begegnungen. Der Burgenlandkreis beteiligt sich natürlich. Wir werden einen Sozialpädagogen stellen, und wir werden, wenn die Asylbewerber dann da sind, neben der polizeilichen Bewachung einen Wachdienst beauftragen. Außerdem haben wir Integrationskoordinatoren, die professionell das ehrenamtliche Engagement begleiten sollen.
Götz Ulrich (CDU) ist Landrat des in Sachsen-Anhalt gelegenen Burgenlandkreises und damit für die Organisation der dezentralen Flüchlingsunterbringung zuständig.