Umstrittene Wasserkraft in Laos
25. Juli 2018Rettungsmannschaften suchen fieberhaft nach Überlebenden in Laos südöstlicher Provinz Attapeu. Nachdem am Montagabend ein Staudamm gebrochen war, strömten schätzungsweise fünf Milliarden Tonnen Wasser aus, so viel Wasser wie aus 1300 Schwimmbecken zusammen. Es überschwemmte mindestens sieben Dörfer entlang des Flusses Xepian-Xe. Bis Mittwoch wurden 26 Todesopfer gemeldet. Hunderte werden immer noch vermisst.
Die Rettungsarbeiten gestalten sich schwierig, da die abgelegene bergige Region kaum erschlossen ist. Es gibt nur wenige Straßen. Während der Regenzeit sind diese kaum passierbar. Die Provinzbehörden bitten Zentralregierung, Polizei und Militär um Hilfe. Dringend benötigt seien Kleidung, Nahrung und Wasser sowie Geld. Der südkoreanische Baukonzern SK, der am Staudammprojekt beteiligt war, schickte ein Rettungsteam.
Vorwarnung durch Baukonzern
Der gebrochene 770 Meter lange Hilfsdamm ist Teil des Xepian-Xe Nam Noy-Staudamms. Solche Hilfsdämme werden errichtet, um für die Stromproduktion am Hauptdamm höheren Pegel und damit mehr Leistung zu erreichen. Bereits einen Tag vor dem Dammbruch informierte der Baukonzern SK nach eigenen Angaben die Regierung in Laos, dass der Damm infolge heftiger Regenfälle Risse aufweise. Eine Stellungnahme oder offizielle Erklärung über die Ursache gibt es von Seiten der laotischen Regierung bisher nicht.
Der vom Hilfsdamm gestaute Fluss Xepian-Xe und der Namnoy sind Nebenflüsse des Mekong. Anoulak Kittikhoun von der Mekong-Flusskommission (MRC) in Vientiane, der Hauptstadt von Laos, bestätigte gegenüber der Deutschen Welle, dass ihre Messstationen am Mekong einen deutlichen Anstieg des Pegels gemessen hätten, und zwar wegen des heftigen Regens und des Dammbruchs. "Allerdings haben wir noch nicht die Warnstufe für eine Flut erreicht."
Der Pegel am Mekong sei seit dem Dammbruch von 8,4 auf 11,4 Meter gestiegen. Der Alarm liegt bei 11,5, eine Flut ab 12,5 Metern, so die MRC. Das bedeutet, dass zum jetzigen Zeitpunkt keine Gefahr für Kambodscha besteht, das am unteren Lauf des Mekongs liegt. Auch die Behörden in Vietnam, wo Mekong in das Südchinesische Meer mündet, haben bereits bestätigt, dass der Vorfall sehr wahrscheinlich keine Flut auslösen werde.
Mekong als Energielieferant
Die Katastrophe wirft ein Schlaglicht auf die seit Jahren umstrittene Politik des autoritär regierten Einparteienstaates. Das im Herzen Südostasien gelegene Laos hat keinen Zugang zum Meer. Es gehört zu den ärmeren Ländern der Region. 5,6 von sieben Millionen Einwohnern sind in der Landwirtschaft tätig. Zu den wichtigsten Exportgütern gehören Holz, Kaffee und seit einigen Jahren auch Strom durch Wasserkraft.
Vor etwa zehn Jahren entschied die kommunistische Regierung Laos zur "Batterie Südostasiens" zu machen. Der wasserreiche Mekong, der vom Hochland von Tibet auf einer Höhe von 5200 Meter über dem Meeresspiegel entspringt, mündet nach einer Länge von ca. 4300 Kilometern in das Südchinesische Meer. Sechs Anrainerstaaten bringt der zwölflängste Fluss der Welt lukrative Geschäftsmodelle um die Wasserkraft.
160 Staudämme sind geplant. China hat schon acht gebaut und elf weitere geplant. In Laos selbst gibt es derzeit 46 Staudämme und 54 weitere Projekte. Strom macht etwa zwei Drittel der Exporte des Landes aus. "Laos hat weder die technische Expertise noch die notwendigen Ressourcen, um die Dämme selbst zu bauen", kritisiert Maureen Harris, Direktorin des Südostasien-Programms der Umweltorganisation "International Rivers". In den vergangenen zwei Jahren waren schon zwei Staudämme in Laos gebrochen.
Die Staudammprojekte in Laos werden meist über ausländische Direktinvestitionen finanziert und von privaten Unternehmen gebaut. So auch der gebrochene Hilfsdamm, der von einer laotischen, einer thailändischen und zwei südkoreanische Firmen gebaut wurde. In der Regel bekommen die Privatunternehmen die Nutzungsrechte für die Wasserkraftwerke für 25 bis 30 Jahre, bevor sie dann in den Besitz der laotischen Regierung übergehen.
Keine Nachhaltigkeit
Seit Jahren kritisieren Umweltaktivisten den Bauboom am Mekong und seinen Nebenflüssen. Im Zentrum der Kritik stehen dabei die mangelhafte Implementierung von Sicherheits- und Umweltstandards.
"Wir sehen einen Mangel an Risikoabschätzung über die unmittelbar betroffene Region hinaus. Es wird auch nicht langfristig gedacht", sagt Harris. So zeigten Studien, dass infolge des Klimawandels Extremwetterlage mit viel Niederschlag in Laos zunehmen werde. "Es besteht die Gefahr, dass die Dämme den zukünftigen Klimabedingungen nicht gewachsen sind." Die Monsunzeit in Laos ist zwischen Juni und Oktober.
Auf dem Papier gebe es in Laos eigentlich sehr gute Regelungen, so Harris im Gespräch mit der DW. "Aber die Regierung hat gar nicht die Kapazitäten, alle Projekte zu überwachen." Außerdem würden die meisten Dämme in abgelegenen ländlichen Gebieten gebaut. Die Bevölkerung dort habe kaum Chance, ihre Sorgen in dem autoritär regierten Land zu artikulieren. Wasserkraft ist von der Zentralregierung gewollt und damit keine Diskussion vorgesehen.
Umweltprobleme
Die Staudämme am Mekong gelten als Bedrohung für die Vielfalt der Tiere und Pflanzen. Der Mekong ist ein zusammenhängendes Ökosystem, das nicht nur für Millionen Menschen Fisch liefert, sondern auch das südvietnamesische Mekong-Delta, das als Reiskammer Südostasiens bekannt ist, mit Wasser und fruchtbaren Sedimenten versorgt.
Durch die Dämme wird dieses Ökosystem zerteilt. "Studien zeigen, dass der Fischbestand um bis zu 40 Prozent zurückgehen wird, wenn alle Dämme am Mekong wie geplant umgesetzt werden", sagt Harris. Hier geht es um die Ernährungssicherheit der bevölkerungsreichen Region.
Zwar entsteht bei der Stromerzeugung durch Wasserkraft kein klimaschädliches Kohlendioxid CO2. Aber Harris hat große Vorbehalte, gigantische Staudammprojekte als kritische Infrastruktur an private Investoren zu vergeben. "Die Risiken und Folgen werden eindeutig heruntergespielt. Es ist an der Zeit, die Projekte zu stoppen, sie neu zu bewerten und Alternativen zu suchen." Andere Länder in Südostasien sind gerade dabei, verstärkt auf Solar- und Windenergie zu setzen.