Umstrittenes Betreuungsgeld beschlossen
9. November 2012
Lange hatte das Regierungslager um das Betreuungsgeld gestritten. Nun wurde es mit den Stimmen der Koalition verabschiedet. Ab dem 1. August 2013 erhalten Eltern, die ihr Kleinkind nicht in eine Kinderkrippe geben monatlich 100 Euro. Später soll es auf 150 Euro steigen. "Das Betreuungsgeld macht den Weg frei für die Wahlfreiheit in unserem Land", lobte am Freitag die CSU-Politikerin Dorothee Bär, familienpolitische Sprecherin der Unionsparteien. "Ich will, dass sich Eltern nicht dafür rechtfertigen müssen, welches das richtige Modell zur Kindererziehung ist."
Verabschiedung im Schnellverfahren
Das Betreuungsgeld sollte eigentlich schon im Frühjahr verabschiedet werden, war aber damals im Parlament gescheitert. Seit vor vier Jahren beschlossen wurde, dass ab 2013 für jedes Kleinkind ein Krippenplatz geschaffen werden muss, drängt insbesondere auf die CSU auf die Ausgleichszahlung. Die Liberalen und Teile der CDU lehnen die Subvention ab. Am vergangenen Sonntag hatte sich die Regierungskoalition nun erneut darauf geeinigt, nachdem die FDP im Gegenzug durchgesetzt hatte, dass die Praxisgebühr für Arztbesuche von zehn Euro pro Quartal abgeschafft wird. Auch das wurde am Freitag im Parlament beschlossen.
Nach dieser Einigung wurde das Betreuungsgeld im Eilverfahren durchs Parlament gebracht. Nur in dringenden Fällen, zum Beispiel wenn internationale Verpflichtungen eingehalten werden müssen, werden alle drei Lesungen eines Gesetzes zusammengelegt. Dass dieses Verfahren für ein familienpolitisches Vorhaben gewählt wurde, ist eher ungewöhnlich. "Im Schweinsgalopp" wolle die Regierungskoalition das Gesetz durchpeitschen, um das "hochexplosive Gesetz schnell vom Tisch zu bekommen", kritisierte die SPD-Familienpolitikerin Caren Marks in einer emotional geführten Debatte.
"Bei fehlenden 220.000 Krippenplätzen gibt es keine Wahlfreiheit", kritisierte der Grünen-Politiker Jürgen Trittin. Erst in der vergangenen Woche hatte das statistische Bundesamt diese Zahl veröffentlicht. So viele Plätze fehlen noch, obwohl alle Eltern ab 2013 einen Rechtsanspruch auf staatliche Kinderbetreuung haben. "Sie kaufen den Eltern diesen Rechtsanspruch billig ab", klagte die Linken-Politikerin Diana Golze.
Opposition nennt Gesetz "schwachsinnig"
Der SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück attackierte das Gesetz als "schwachsinnig". Das Betreuungsgeld halte "Frauen in einer familienpolitischen Idylle gefangen" und gefährde die Bildungschancen von Kindern aus sozial schwachen Familien, sagte er. Markus Grübel von der CDU warf dagegen der Opposition vor, sie wolle Eltern bevormunden: "Den Vorwurf der Opposition kann man so zusammenfassen: Eltern schaden ihren Kindern."
Kritik der Opposition zog insbesondere die FDP auf sich, die das Gesetz ursprünglich abgelehnt hatte. Das Gesetz komme nur unter "Selbstverleugnung bei der FDP" zustande, kritisierte Steinbrück. Sein Fraktionskollege Hubertus Heil warf den Liberalen "Rückgratlosigkeit" vor.
Der FDP-Abgeordnete Patrick Meinhardt forderte dagegen von der SPD "mehr Glaubwürdigkeit". Sie habe 2008 in der Koalition mit der Union selbst dem Betreuungsgeld zugestimmt. Damals hatte die CSU einen Passus in das Gesetz hineinverhandelt, nach dem ein Betreuungsgeld ab 2013 kommen soll. "Aus dieser Nummer kommen Sie nicht mehr raus", warf er Steinbrück vor.
Der Schlagabtausch zeigt, wie umstritten das Betreuungsgeld immer noch ist. Dass der Streit um die Sozialleistung mit dem Gesetz beendet ist, gilt deshalb als unwahrscheinlich. Die Linken-Politikerin Golze kündigte an, gegen das Gesetz vor dem Verfassungsgericht zu klagen. Steinbrück erklärte, dass das Gesetz sofort wieder abgeschafft werde, sollte nach der nächsten Bundestagswahl eine rot-grüne Regierung an die Macht kommen. "Wir werden dafür sorgen, dass dieses Gesetz die kürzeste Halbwertzeit in der Geschichte der Gesetzgebung in Deutschland hat."