Biosprit in EU feuert Abholzung
3. Juni 2016Deutschland gilt als führender Biodiesel-Konsument in der EU. In keinem anderen Land wird öfter Biosprit getankt. Was zunächst positiv klingt, bekommt einen bitteren Beigeschmack: Unter dem Deckmantel der Umweltverträglichkeit avancierte Palmöl zu einem der meist verwendeten Rohstoffe für Biosprit, zeigen neu veröffentlichte Zahlen des europäischen Pflanzenölverbandes.
Warum der bittere Beigeschmack? Palmöl, das einen immer größeren Anteil an der Produktion von Biodiesel ausmacht, treibt die Abholzung voran und schädigt Naturschutzorganisationen zufolge die Umwelt weit mehr als die fossilen Brennstoffe, die es ersetzen soll.
Im Jahr 2014 landete mehr als die Hälfte des in Europa genutzten Palmöls in den Tanks von Autos und LKWs, so legen es Daten vom EU-Pflanzenölverband Fediol offen, die von der Brüsseler Nichtregierungsorganisation Transport & Environment (T&E) in Kooperation mit dem Naturschutzbund Deutschland (NABU) zusammengestellt wurden.
Nur übertroffen von Raps, schoss die gesamte Nutzung von Palmöl als Rohstoff für Biosprit in den EU-Staaten zwischen 2010 und 2014 um das Sechsfache in die Höhe. Das nahezu komplette 34 Prozent-Wachstum in dieser Zeitspanne für EU-Biodiesel - das ist Biosprit mit Diesel gemischt - geht auf die Rechnung von importiertem Palmöl.
"Verheerende" Auswirkung
Die Rodung von natürlichem Regenwald für den Ausbau der Palmöl-Plantagen hat laut T&E einen "verheerenden" Einfluss auf Biodiversität und Netto-Treibhausgasemissionen. Die Umweltorganisation spricht gar davon, dass Biodiesel damit im Durchschnitt um 80 Prozent schädlicher für das Klima sei als herkömmlicher Diesel.
Auch in Lebensmitteln, Kosmetika und Tiernahrung befindet sich Palmöl - die Nutzung in diesen Branchen nahm in Europa aber zuletzt ab, teilweise aufgrund des Drucks von Umweltorganisationen und Großunternehmen. Rufe werden nun auch laut für weniger Palmöl in Biosprit.
Wie weit Palmöl unter Produkten in der EU verbreitet ist, war bis jetzt noch unklar.
Jos Dings, Geschäftsführer von T&E, ließ verlauten, die Zahlen "zeigen die hässliche Wahrheit über die europäische Biosprit-Politik - sie fördert die Abholzung in den Tropen, steigert Transportemissionen, und tut nichts für die europäischen Landwirte."
Enttäuschte Erwartungen
Der Einsatz von Biosprit verfolgte zunächst hehre Ziele: Ihn zu verbrennen, entlässt nur so viel CO2 in die Atmosphäre wie die Pflanzen, aus denen er gemacht wurde, wieder aufnehmen. Dies sollte zu null Netto-Emissionen führen.
In der Realität passierte jedoch genau das Gegenteil: Wird die Abholzung mit in Betracht gezogen, sind die Klimaauswirkungen der Biokraftstoffe der sogenannten "Ersten Generation" - hauptsächlich Raps-, Soja-, Palm-, und Sonnenblumenöl - tatsächlich viel größer als die der fossilen Brennstoffe, zeigte die Forschung.
Außerdem konkurrieren die Biobrennstoffe, um immer knapper werdende Anbauflächen für Nahrungsmittel, besonders in Indonesien und Malaysia, wo der Großteil des Palmöls angebaut wird.
Natürlichen Ressourcen schützen
Daniel Rieger, Transportpolitik-Beauftragter beim NABU, berichtete der DW, dass Biosprit der ersten Generation der Vergangenheit angehören sollte.
"Es macht keinen Sinn, eine Vielzahl von Anbaustandorten für die Pflanzen zu nutzen, um diese dann für den Tank zu nutzen", sagte er der DW. "Das ist eine Verschwendung der natürlichen Ressourcen."
Stattdessen sollte der Fokus vielmehr auf die zweite Generation gerichtet werden, die auf Kompost basiert: "Biokraftstoff der zweiten Generation wird aus Abfall produziert, so lässt sich Bioenergie aus Resten gewinnen, die sowieso übrig bleiben."
Noch viel besser wäre es, das Transportsystem weg von LKWs und Autos und hin zu nachhaltigeren Wegen des Transports wie Binnen-Wasserstraßen oder Zügen zu verlagern, so Rieger.
Zudem fügt er hinzu, dass sich die öffentliche Wahrnehmung des Biosprits ändern muss. Ein Punkt ist dabei das Branding - Biosprit "hört sich grün an."
"Sie denken, Biosprit hört sich biologisch an, deswegen muss es gut für das globale Klima sein," sagte Rieger der DW.
Fragliche Zukunft für Biokraftstoffe in der EU
Die EU erkannte bereits im letzten Jahr, dass eine fortgesetzte Nutzung der Biobrennstoffe mit ihren Zielen zur Reduktion der Treibhausgasemissionen in Konflikt steht, und verhängte eine Obergrenze von 7 Prozent für Biokraftstoffe, die aus Nahrungspflanzen hergestellt wurden.
Obendrein arbeitete sie Nachhaltigkeitskriterien aus und befeuerte zugleich die Entwicklung der "modernen" Biokraftstoffe aus städtischem Abfall, wiederaufbereitetem Koch-Öl oder landwirtschaftlichem Abfall.
Im Jahr 2009 festgesetzte Regularien verlangen, dass bis 2020 zehn Prozent der Energie für den Transport in allen EU-Staaten aus erneuerbaren Quellen stammen sollen.
Dies resultierte schließlich in den umstrittenen Biokraftstoffen, da elektrisch angetriebene Fahrzeuge im gegenwärtigen Augenblick nur einen vernachlässigbaren Anteil an Energie im Transportsektor aufweisen.
T&E und andere Umweltgruppierungen forderten, die nahrungsbasierten Biokraftstoffe aus dem Transport-Energie-Mix der EU nach 2020 zu entfernen.
Die Europäische Kommission entwickelt derzeit eine neue Richtlinie für Erneuerbare Energien. Ein Vorschlag soll in den nächsten Monaten entstehen. Mitgliedsstaaten wie Deutschland sollen dann einen entsprechenden Beschluss zur Zukunft des Biosprits in ihren jeweiligen Ländern umsetzen.