Klonen - Ethik und Medizin
17. Mai 2013Als am 15. Mai 2013 eine Forschungsgruppe der Oregon Health & Science University bekannt gab, dass sie menschliche Embryonen durch Klonen erzeugt hatte, war die Aufregung groß: Von Entsetzen über den vermeintlichen ethischen Tabubruch bis zu Erstaunen über den wissenschaftlichen Durchbruch reichten die Reaktionen. Dabei ist das Verfahren eigentlich nicht neu.
Ziel der Forschungsgruppe um den Stammzellenforschers Shoukrat Mitalipov war es, sogenannte pluripotente Stammzellen herzustellen. Diese sind deshalb für die Forschung besonders wichtig, weil sich aus ihnen alle etwa 200 Zelltypen bilden können, die im menschlichen Körper vorkommen. Diese weitergebildeten oder auch "differenzierten" Zellen können dann keine anderen Zelltypen mehr bilden, es sei denn die Forscher benutzen einen Trick.
Der Trick des Teams aus Oregon bestand darin, den Zellkern einer menschlichen Eizelle durch den Kern einer solchen bereits differenzierten Hautzelle zu ersetzen. Das Verfahren nennt sich Kerntransplantation. Damit gelang es Ihnen, den Hautzellkern durch Faktoren im Zytoplasma der Eizelle quasi zu verjüngen, erklärt Prof. Andreas Trumpp, Stammzellforscher am Deutschen Krebsforschungszentrum das Verfahren. Die Zelle teilt sich und ein kleiner Zellhaufen entsteht - "eine so genannte Blastozyste und aus der kann man dann embryonale Stammzellen gewinnen."
Klonverbot zum Schutz von Spendern und Embryos
In Deutschland wäre solch ein Versuch verboten. So dürfen menschliche Eizellen grundsätzlich nicht gespendet werden. "Das Verfahren, das man benötigt, um an Eizellen zu kommen, ist durchaus gesundheitlich belastend für die Frauen. Es gibt da ganz erhebliche Nebenwirkungen", erklärt Bert Heinrichs, Leiter der wissenschaftlichen Abteilung des Deutschen Referenzzentrums für Ethik in den Biowissenschaften (DRZE), dieses Verbot.
Die Nebenwirkungen seien ähnlich denen, die Frauen auf sich nehmen, wenn sie sich einer künstlichen Befruchtung unterziehen. Vor allem aber ist das Klonen selbst nach dem Embryonenschutzgesetz verboten, denn dabei entsteht eine befruchtete Eizelle, also die Frühform eines Embryos. Theoretisch könnte sich daraus sogar ein Mensch entwickeln. Praktisch ist das zwar unwahrscheinlich, aber ethisch sei es ein klassischer Konflikt zwischen Forschung und Therapieerwartung auf der einen und Lebensschutz auf der anderen Seite, so DRZE-Direktor Dieter Sturma.
"Der Kampf, der lange Zeit um die Stammzellenforschung gefochten worden ist, ging um die Frage: 'Welchen moralischen Status kann eine embryonale Stammzelle für sich beanspruchen?' Und da spielt natürlich der Gedanke eine Rolle, dass aus einer Stammzelle später ein ganzer Mensch entstehen kann." Die ethische Kontroverse konzentriere sich also auf die Frage: "Wo setze ich den Schutz an bei der Menschwerdung?"
Ethisch korrekte Stammzellen
Pluripotente Stammzellen lassen sich allerdings auch auf ethisch unbedenklichem Wege erzeugen. Der japanische Forscher Shinya Yamanaka hat ein Verfahren zur Herstellung sogenannter Induzierter Pluripotenter Stammzellen – auch IPS-Zellen entwickelt. Dabei entstehen keine Klon-Embryos und auch menschliche Eizellen kommen nicht zum Einsatz. "Das hat sich bewährt. Die Technik von Shinya Yamanaka ist sehr robust und wird weltweit angewendet, um aus Patientenzellen patientenspezifische IPS-Zellen herzustellen," so der Heidelberger Stammzellforscher Andreas Trumpp.
Sowohl der Erfinder des ethisch umstrittenen Kerntransplantationsverfahrens John Gurdon, als auch sein Kollege Yamanaka, der das ethisch unproblematische IPS-Verfahren entwickelt hat, wurden 2012 gemeinsam mit dem Medizin-Nobelpreis ausgezeichnet. Die beiden Verfahren haben aber mehr gemeinsam: Bei keinem der beiden gelingt die Reprogrammierung der Zellen einwandfrei.
Deshalb wäre es auch sehr unwahrscheinlich, dass sich aus ihnen ein gesunder Mensch klonen ließe. "In der Tierwelt haben wir zum Beispiel das Schaf Dolly. Diese Tiere, die direkt aus einer Kerntransplantation entstanden sind, haben in der Regel große Defekte", so Trumpp. Der Grund: Die Reprogrammierung verläuft sowohl bei den IPS-Zellen, als auch bei der Kerntransplantation nicht perfekt.
Es gibt keine IPS-Zelltherapie
Anders als zum Beispiel adulte Stammzellen, die direkt von Spendern stammen und Leukämiekranken das Leben retten können, werden IPS-Zellen deshalb auch nicht in Therapien direkt am Menschen zum Einsatz kommen. Es bestünde zum Beispiel die Gefahr, dass sich daraus Krebszellen bilden.
Die Mediziner brauchen die IPS-Zellen vor allem als Versuchsmaterial. "Das ist so wichtig, weil wir für Analysen Zellen vom Patienten brauchen. Weil die Zellen das gleiche Erbgut haben, wie die des Patienten, haben sie auch die gleichen Merkmale wie die Patienten," so der Heidelberger Mediziner Trumpp. So lassen sich zum Beispiel maßgeschneiderte Therapien oder Medikamente für bestimmte Patienten prüfen. Auch kann man an den Zellen testen, ob vorhandene Therapien wirken.
Ob das neue Kerntransplantationsverfahren medizinische Vorteile gegenüber der Herstellung von IPS-Zellen hat, ist indes noch völlig offen. "Die Zellen sind ähnlich, aber vermutlich nicht gleich. Aber das müssen weitere Experimente erst zeigen", so Trumpp. Also werden Forscher in den nächsten Jahren die beiden Zelltypen vergleichen und dabei insbesondere darauf achten, wie vollständig die Reprogrammierung erfolgt ist.
Weniger Ideologie, mehr Pragmatismus in der Stammzelldebatte
Diese Forschung wird allerdings sicher nicht in Deutschland stattfinden. Sollte sich allerdings die Kerntransplantationstechnik in anderen Ländern doch schneller weiterentwickeln als erwartet, könnten neue Probleme entstehen. "Es wird natürlich einen Tourismus geben. Wenn Verfahren in Deutschland nicht angeboten werden und Menschen in verzweifelten Lagen sind, werden sie sich anders orientieren," so der Bonner Bioethiker Dieter Sturma.
Je nachdem, was bei den weiteren Forschungen herauskommt, könnte der Philosoph sich aber auch vorstellen, dass deutsche Gesetzgeber die Nutzung für bestimmte stark begrenzte Therapien zulassen. "Ich habe den Eindruck, dass die Forschungssituation überhaupt in Bezug auf embryonale Stammzellen pragmatischer geworden ist. Es gibt nicht mehr diese ideologischen Grabenkämpfe, die wir noch vor Jahren erlebt haben." Heute schaue die Forschung und die Politik sehr viel genauer auf sehr konkrete Verfahren in der Stammzelltechnik.
Eine ähnliche ethische Gratwanderung macht Deutschland schon heute bei der Nutzung echter embryonaler Stammzellen: Ihre Herstellung ist verboten, aber solche, die vor einem bestimmten Stichtag gewonnen wurden, dürfen für Forschungszwecke importiert werden.