UN-Chef fordert schnelle Hilfe für Libyen
31. August 2011Der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Ban Ki Moon, hat unterstrichen, wie wichtig es ist, nach dem Bürgerkrieg in Libyen der Bevölkerung zu helfen und das Land möglichst schnell wieder aufzubauen. Vor dem UN-Sicherheitsrat in New York appellierte er am Dienstag (30.08.2011, Ortszeit) an die internationale Staatengemeinschaft, "zu einem schnellen und entschiedenen Handeln" in Libyen beizutragen. "Mein Ziel ist es, sobald wie möglich UN-Mitarbeiter unter einem robusten Mandat vor Ort zu haben", so Ban Ki Moon. "Das Leiden der Bevölkerung muss ein Ende haben", betonte der UN-Chef. Die humanitäre Situation in dem Land mache es dringend notwendig dort einzugreifen. Besonders wichtig sei momentan die Wasserversorgung. Er schätze, dass rund 60 Prozent der Bevölkerung ohne sanitäre Versorgung ist, Hilfe sei unbedingt notwendig, um die Wasser- und Abwasserversorgung wieder in den Gang zu bringen.
Ban Ki Moon begrüßte die Entscheidung des UN-Sicherheitsrates, 1,5 Milliarden Dollar der eingefrorenen Gelder des Regimes von Muammar al-Gaddafi für humanitäre Hilfe freizugegeben. Trotz der insgesamt schlechten humanitären Lage in Libyen seien bereits Fortschritte sichtbar: Beispielsweise öffneten Krankenhäuser wieder, das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen werde 45 Tonnen Medikamente und Blut spenden. Inzwischen gab Großbritannien libysche Banknoten in Höhe von 1,1 Milliarden Euro an den Nationalen Übergangsrat der libyschen Aufständischen frei.
NATO will weiter in Libyen präsent sein
Die Vertreter der 28 NATO-Staaten vereinbarten in Brüssel, auch nach Ende ihrer Militärintervention weiterhin mit Schiffen und Flugzeugen in Libyen vertreten zu bleiben. Voraussetzung sei dabei, dass die künftige libysche Regierung dies wünsche, so die NATO-Zentrale. Bodentruppen kämen allerdings nicht in Frage, zudem müsse der Einsatz zeitlich begrenzt sein. Denkbar sei, den Schiffsverkehr vor der Küste Libyens weiterhin zu kontrollieren, um Waffenschmuggel zu verhindern. Der Luftraum könne überwacht werden, um die Lage zu überschauen.
Der Übergangsrat hat sich zum NATO-Vorschlag bislang noch nicht geäußert. Doch er lehnt nach Angaben der Vereinten Nationen die Entsendung militärischer Beobachter oder ausländischer Truppen nach Libyen ab. Der UN-Sonderberater Ian Martin sagte am Dienstag, es sei "sehr klar", dass die libyschen Aufständischen keine Stationierung von UN- oder anderen Soldaten wollten. Die Vereinten Nationen würden nun prüfen, ob der Übergangsrat Polizeihilfe wünsche.
Libyen-Konferenz in Paris an historischem Tag
Der UN-Generalsekretär kündigte außerdem an, am Donnerstag an der internationalen Libyen-Konferenz in Paris teilzunehmen. Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy hat den 1. September als symbolisches Datum gewählt, um mit den "Freunden Libyens" die Zukunft des nordafrikanischen Landes zu planen. Denn der 1. September war in Libyen 41 Jahre lang der Tag, an dem Gaddafi seine Revolution von 1969 feierte. Neben Ban Ki Moon reisen US-Außenministerin Hillary Clinton, die Spitze des Nationalen Übergangsrates in Libyen sowie weitere politische Vertreter aus Europa, Afrika und der arabischen Welt zu der Konferenz im Elysée-Palast an. Die Tatsache, dass nur wenige Regierungschefs anreisen, wird als politisches Signal gewertet.
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat zwar eine Teilnahme zugesagt. Die Deutschen hatten sich aber bei der UN-Abstimmung für die Libyen-Resolution, auf die sich der NATO-Einsatz stützt, enthalten und nicht an dem NATO-Militäreinsatz gegen Gaddafis Truppen beteiligt. Frankreich und die anderen Verbündeten hatten für die deutsche Entscheidung kein Verständnis. Daher bemüht sich die Bundesregierung nun darum, ihr außenpolitisches Ansehen bei ihren Bündnispartnern wie auch bei der libyschen Vertretung wiederzugewinnen.
Libysche Milliarden auf ausländischen Konten
Doch die Verbündeten des Libyen-Einsatzes werden von Deutschland wohl mehr erwarten als nur Präsenz. "Wir sind nun in der Bringschuld", umschrieb Grünen-Chef Cem Özdemir nach dem Einmarsch der Rebellen in der libyschen Hauptstadt Tripolis vergangene Woche die Erwartungen. Hinsichtlich eines Bundeswehreinsatzes als Teil einer möglichen UN-Friedenstruppe in Libyen sagte Merkel der Bild am Sonntag: "Wenn man uns Deutsche fragt, werden wir selbstverständlich prüfen, was wir tun können."
Bei der Pariser Konferenz geht es vor allem um Gelder für Libyen. Allein die Nothilfe in dem kriegszerstörten Land dürfte nach den Berechnungen des Übergangsrates fünf Milliarden Dollar (3,4 Milliarden Euro) ausmachen. Zudem müsse laut Übergangsrat noch ein Justizapparat aufgebaut werden. Geld dafür ist eigentlich vorhanden, da viele Milliarden Euro der Gaddafi-Regierung auf ausländischen Konten liegen - allein in Deutschland sollen es sieben Milliarden Euro sein. Die Guthaben wurden aber durch UN-Resolutionen im Frühjahr eingefroren. Doch nicht alle Länder haben wie Deutschland den Übergangsrat als legitime Vertretung des libyschen Volkes anerkannt. Deshalb weigern sie sich, die eingefrorenen Gelder den Rebellen vorschnell auszuhändigen.
Ultimatum bis Samstag
Am Dienstag stellte der Übergangsrat den verbliebenen Anhängern Gaddafis ein Ultimatum, sich bis Samstag zu ergeben. "Länger können wir nicht warten", sagte der Chef des Rates, Mustafa Abdul Dschalil, in Bengasi. Um ein Blutvergießen zu vermeiden, sollten sie Gaddafis Heimatstadt Sirte friedlich übergeben. "Wir können die Situation militärisch lösen, aber das wollen wir nicht", so Dschalil. Die Anhänger Gaddafis reagierten bislang allerdings nicht auf das Ultimatum. So bereiten sich die Rebellen bereits auf Gefechte vor, um in Sirte weiter militärisch vorzurücken. Die NATO-Zentrale teilte mit, bereits am Dienstag in der Region um Sirte und Bani Walid, eine südöstlich von Tripolis gelegene Stadt, verstärkt Luftangriffe geflogen zu haben. Das Bündnis vermutet, dass Gaddafi sich bei Bani Walid versteckt.
Gaddafis Sohn Al-Saadi hat sich nach Berichten des arabischen Senders Al-Dschasira angeblich bereit erklärt, sich den Rebellen zu ergeben. Er wolle mit dem Übergangsrat über eine Machtübergabe verhandeln. Im Gegenzug verlange er, dass ihm seine Sicherheit garantiert wird und er in Libyen bleiben darf.
Nach Rebellenangaben kamen seit Beginn des Aufstandes in Libyen vor sechs Monaten mindestens 50.000 Menschen ums Leben. Darunter seien sowohl Kämpfer als auch Zivilisten. Noch bekämpfen sich die beiden Kriegsparteien weiter. Der 1. September dieses Jahres bedeutet für Libyen jedenfalls eine Zensur - die vier Jahrzehnte andauernde Ära Gaddafis ist zu Ende.
Autorin: Naima El Moussaoui (dpa, afp, dapd, afp)
Redaktion: Julia Elvers-Guyot