UN geraten zwischen die Fronten
11. März 2014"Hilde Johnson, hau ab!", rufen Hunderte Südsudanesen. Aufgebrachte junge Männer und Frauen, die in Südsudans Hauptstadt Juba zu einem Protestmarsch zusammengekommen sind. Sie werfen der Chefin der UN-Militärmission im Südsudan (UNMISS) vor, die Rebellen im Land mit Waffen zu unterstützen. Einer der Demonstranten, der 28-jährige John Mayem Ayom, geht noch weiter. "Die UN-Mission steckt hinter dem Putschversuch vom 15. Dezember, sie hat den Rebellenführer Riek Machar dazu angestiftet", behauptet er. Damals hatte - laut Regierung mit einem versuchten Putsch - die Rebellion im Südsudan begonnen, die bis heute Tausende Menschen das Leben gekostet hat.
Nun drohen die UN-Blauhelmsoldaten, zwischen die Fronten dieses Konflikts zu geraten. Am vergangenen Freitag (08.03.2014) beschlagnahmten südsudanesische Regierungssoldaten einen UN-Konvoi, der als Nahrungsmitteltransport gekennzeichnet war. Als sie die Container der zwölf Lastwagen durchsuchten, entdeckten sie darin jedoch Waffen und Munition. Auch Landminen sollen Teil der Fracht gewesen sein. Das wäre besonders brisant, da Landminen im Sudan und Südsudan seit Jahrzehnten verboten sind.
UN: "bedauerlicher Fehler"
Die UN-Sprecherin Ariane Quentier sagte der DW, bei dem Transport der Waffen habe es sich um einen bedauerlichen Fehler gehandelt. Mehrere Container seien falsch beschriftet worden und deshalb in dem Konvoi gelandet. Ein Abkommen zwischen den UN und der südsudanesischen Regierung besagt, dass Waffen nur per Flugzeug, nicht aber über Land transportiert werden dürfen. Die Lieferung sei für ein ghanaisches UNMISS-Bataillon in Bentiu, einer Stadt im Norden des Südsudan, bestimmt gewesen. Dass Landminen in den Lkw gewesen seien, streitet Quentier vehement ab. Bei dem, was auf den Bildern der Regierung als Landminen gedeutet wurde, handle es sich um Behälter für Atemmasken.
Das Misstrauen der südsudanesischen Regierung und ihrer Anhänger konnte die UNMISS mit solchen Erklärungen jedoch nicht besänftigen. Vizepräsident James Wani Igga wetterte auf der Demonstration in Juba, die Vereinten Nationen seien ein neokoloniales System, das versuche, die Regierungsgeschäfte zu übernehmen. "Sie wollen, dass wir eine UN-Kolonie werden. Wenn sie uns kolonialisieren, dann schwöre ich, dass selbst ein alter Mann wie ich wieder in den Busch geht und zum Rebell wird!", rief der Politiker den Demonstranten zu.
Graben zwischen Regierung und UN wird tiefer
Die Regierung hat eine Untersuchung eingeleitet, um zu klären, ob die Waffen von der UNMISS zu den Rebellen geschmuggelt werden sollten. Das Verhältnis zwischen den Blauhelmen und der Regierung ist angespannt, seit UN-Vertreter im Januar Regierungssoldaten den Zugang auf UN-Gelände verwehrten. Nach wie vor verharren rund 80.000 Flüchtlinge auf den Grundstücken der Vereinten Nationen. Die meisten von ihnen gehören der ethnischen Gruppe der Nuer an - so wie auch der Rebellenführer Riek Machar. Sie fürchten, von Angehörigen der größten Volksgruppe, den Dinka, verfolgt und ermordet zu werden. Die Regierung vermutet allerdings, dass sich auch Aufständische unter den Flüchtlingen befinden und wirft den UN vor, diese zu schützen. Präsident Salva Kiir bezeichnete die UN öffentlich als Parallelregierung und Unterstützer der Rebellen.
Im Südsudan war am 15. Dezember 2013 ein lange schwelender Machtkampf zwischen Präsident Kiir und seinem abgesetzten Stellvertreter Machar eskaliert. Die beiden Politiker gehören unterschiedlichen Ethnien an, deren Verhältnis seit Jahren gespannt ist. Seit Beginn der Kämpfe wurden Tausende Menschen getötet und 900.000 Zivilisten vertrieben. Die UNMISS ist seit Gründung des Südsudans im Jahr 2011 im Land, um Frieden und Entwicklung zu unterstützen. Rund 8000 Soldaten aus mehr als 50 Ländern gehören der Mission an.
Schnelle Aufklärung gefordert
Dass die Führung der UN-Mission heimlich die Rebellen mit Waffen versorgen soll, wie von den Demonstranten in Juba behauptet, erscheint angesichts der angespannten Lage nicht plausibel. Dennoch sei es durchaus denkbar, dass Einzelpersonen - möglicherweise sogar Angehörige der UN-Mission - die Strukturen der UN genutzt haben, um Waffen zu Machars Anhängern zu schmuggeln, sagt Annette Weber, Südsudan-Expertin von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). Es sei auch denkbar, dass die Waffen extra platziert wurden, um den UN zu schaden. "Aber da stellt sich trotzdem die Frage: Wie kann das an der Kontrolle der UN-Mission vorbei passieren?", sagte Weber der DW.
Viele Menschen, insbesondere die Zehntausende Flüchtlinge, die in UN-Lagern Zuflucht gesucht haben, nehmen die Blauhelme nach wie vor als Unterstützer wahr. Unter den Regierungsanhängern im politisierten Juba ist das anders. Um das Vertrauen in die UN-Mission zurückzugewinnen, müssten die südsudanesische Regierung und die UN nun so schnell wie möglich gemeinsam untersuchen, wer für den Transport verantwortlich war und wer die Container falsch beschriftete, so Weber. "Wir verstehen die Verunsicherung, und deshalb ist eine gemeinsame Untersuchung der Umstände unbedingt notwendig", beteuert auch UN-Sprecherin Quentier. Eine hochrangige Delegation der Vereinten Nationen soll dafür am Mittwoch (12.03.2014) in Juba eintreffen.