UN und Europarat kritisieren Türkei
2. Dezember 2016Die Vereinten Nationen und der Europarat haben im Zusammenhang mit Foltervorwürfen und Menschenrechtsverstößen Kritik an der Türkei geübt.
Der Menschenrechtskommissar des Europarats, Nils Muiznieks, warf den Sicherheitskräften im mehrheitlich von Kurden bewohnten Südosten der Türkei zahlreiche Menschenrechtsverletzungen vor. Darunter seien Verstöße gegen das Recht auf Leben, heißt es in einem in Straßburg vorgelegten Bericht. Die Reaktionen der türkischen Regierung auf Terrorismus im Südosten des Landes seien problematisch mit Blick auf ihre Verhältnismäßigkeit und Legitimität, sagte Muiznieks.
Für Folter "förderliches Klima"
Der UN-Sonderberichterstatter zu Folter, Nils Melzer, erklärte nach einer Informationsreise durch die Türkei, die von der Regierung nach dem gescheiterten Putschversuch vom Juli ergriffenen Maßnahmen hätten zu einem "der Folter förderlichen Klima" geführt. Unmittelbar nach dem Umsturzversuch schienen Folter und Misshandlungen weit verbreitet gewesen zu sein, sagte der Schweizer Diplomat vor Journalisten in Ankara.
Er habe glaubwürdige Berichte erhalten, wonach die Behörden eingereichten Beschwerden nicht nachgegangen seien. "Ich fordere die türkischen Behörden daher auf, unverzügliche, gründliche und unabhängige Untersuchungen aller Foltervorwürfe durchzuführen", erklärte Melzer.
Gefängnisse besucht
Jetzt aber würden im Zusammenhang mit dem Putschversuch inhaftierte Personen offenbar nicht mehr misshandelt, so der UN-Experte weiter. Melzer begrüßte den Einsatz der Behörden, "Folter zu bekämpfen und ihr vorzubeugen". Der UN-Sonderberichterstatter hatte Haftanstalten in Istanbul, Ankara, Sanliurfa und Diyarbakir im Kurdengebiet aufgesucht und mit mutmaßlichen Folteropfern, Anwälten und Menschenrechtsaktivisten gesprochen.
Die türkische Regierung geht seit dem gescheiterten Militärputsch vom 15. Juli mit aller Härte gegen ihre vermeintlichen Gegner vor. Das betrifft nicht nur mutmaßliche Anhänger des im Exil lebenden Predigers Fethullah Gülen, den Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan für den Putschversuch verantwortlich macht, sondern auch für mutmaßliche Anhänger der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) sowie regierungskritische Journalisten.
Massenfestnahmen nach Putschversuch
Zehntausende Menschen insbesondere aus dem Bildungswesen, den Medien, den Streitkräften und der Justiz wurden seit Juli festgenommen, zehntausende weitere aus dem Staatsdienst entlassen oder suspendiert. Nach Angaben von Journalistenvereinigungen wurden in den vergangenen Monaten zudem mehr als 150 Zeitungen, Radio- und Fernsehsender geschlossen.
Die Regierung hat Foltervorwürfe nach dem Putschversuch stets zurückgewiesen und sich Kritik am Vorgehen im Südosten verbeten, wo die Armee seit Sommer 2015 Jahres die PKK bekämpft.
wl/jj (dpa, afp, kna)