Neue Regeln für Waffenhandel
2. Juli 2012Der Waffenhandel ist ein im wahrsten Sinne des Wortes krisenfestes Geschäft. Über sechs Milliarden Dollar verdienen Rüstungshersteller jährlich mit dem Verkauf von Panzern und Pistolen, Kugeln und Kampfjets. Der Weltmarkt liefert Diktatoren und Konfliktparteien was sie brauchen, um ihr Volk zu unterdrücken oder Kriege zu führen. Aktuelles Beispiel ist Syrien. Das Assad-Regime verdankt seine andauernde Gewaltherrschaft vor allem den Waffenimporten aus Russland.
Keine Waffenlieferungen in Krisen- und Konfliktregionen, keine Genehmigung von Rüstungsexporten, wenn damit Menschenrechtsverletzungen begangen werden können oder wenn die Lieferung dazu führt, dass Armutsbekämpfung und wirtschaftliche Entwicklung gefährdet werden: Das sind die Ziele des Waffenhandelskontrollvertrages, über den die UN-Mitgliedsstaaten ab Montag (02.07.) in New York verhandeln.
"Deutschland wird sich bei der Staatenkonferenz in New York für einen wirksamen, rechtlich verbindlichen und anwendbaren 'Arms Trade Treaty' stark machen", so die Staatsministerin im Auswärtigen Amt, Cornelia Pieper, im DW-Interview. Die Bundesrepublik ist nach den USA und Russland der drittgrößte Waffenexporteur, mit einem Anteil von elf Prozent am Weltmarkt.
Deutschland fordert umfassende Kontrolle
"Wir erwarten von dieser Konferenz, dass sie einen Vertrag vorlegt, der erstmals in der Geschichte der Vereinten Nationen den internationalen Handel mit konventionellen Rüstungsgütern regelt", sagt die Waffenexpertin von Amnesty International, Katharina Spieß, und lobt die "positive Rolle des Auswärtigen Amtes bei den Vorverhandlungen", die im vergangenen Jahr stattgefunden haben.
Deutschland setze sich dafür ein, dass "erstmals rechtlich verbindliche Mindeststandards für den Transfer von konventionellen Rüstungsgütern vereinbart werden", heißt es dazu aus Berlin. Dabei gehe es "vor allem um die Beachtung der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts, die Bewahrung der regionalen Stabilität und die Berücksichtigung der inneren Lage im Empfängerland", so das Auswärtige Amt ."Der Waffenhandelsvertrag soll sich auf sämtliche konventionelle Rüstungsgüter erstrecken, insbesondere auch auf kleine und leichte Waffen sowie Munition."
Viele Knackpunkte
Gerade letzteres sei jedoch einer der zahlreichen Unklarheiten bei den Verhandlungen, die sich über vier Wochen erstrecken werden, gibt Simone Wisotzki von der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (HSFK) zu bedenken. Fast 900 Millionen Handfeuerwaffen sind weltweit im Umlauf, das ist eine für jeden achten Menschen, Kinder eingerechnet. Der frühere UN-Generalsekretär Kofi Annan nannte sie "die wahren Massenvernichtungswaffen". Jede Minute stirbt laut Amnesty International ein Mensch durch Schüsse aus Pistolen oder Gewehren.
Strittig sei auch die Frage, "inwieweit Menschen- und Völkerrechtskriterien mit einbezogen werden. Oder auch die Forderung, dass Waffen Armutsreduzierung und sozioökonomische Entwicklung nicht behindern sollen", so Wisotzki im Gespräch mit der DW. Schließlich sei auch die Frage nach den Überwachungsmechanismen noch nicht geklärt. Denkbar sei, dass eine eigene UN-Organisation damit beauftragt werde. Immerhin, ein solcher Vertrag werde der globalen Zivilgesellschaft helfen, Staaten zur Rechenschaft zu ziehen, wenn sie künftig in solche kritischen Länder ihre Waffen liefern werden.
Waffenexporteure könnten Vertrag aufweichen
Vor allem westliche Staaten werden bei den Verhandlungen darauf drängen, "dass dieser Waffenhandelsvertrag unter humanitären Gesichtspunkten stark sein soll", so Sabine Wisotzki. Erschwert werden die Verhandlungen jedoch durch die fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates: Die USA, Russland, China, Frankreich und Großbritannien zählen zu den wichtigsten Waffenexporteuren. "Diese Länder pochen darauf, dass der staatliche Waffenhandel ein Souveränitätsrecht eines jeden Staates ist. China wehrt sich gegen das Menschenrechtskriterium", erläutert die HSFK-Expertin. Auch die USA spielen ihrer Ansicht nach "eine ambivalente Rolle", vor allem bei der Frage, ob Munition und Kleinwaffen der Kontrolle der UN unterliegen sollen.
Katharina Spieß von Amnesty International geht davon aus, dass gerade die Rüstungsexportnationen an einheitlich geltenden internationalen Regeln interessiert sind. "Wir haben ja schon auf regionaler Ebene Regeln, die den Waffenhandel kontrollieren. In der EU gibt es seit 2008 den 'gemeinsamen Standpunkt', der Waffentransfers verbietet, wenn es zu Menschenrechtsverletzungen kommt. Auch die USA kennen solche Regeln."
Am Verhandlungstisch in New York sitzen alle 193 UN-Mitgliedsstaaten, Einigung kommt nur nach dem Konsensprinzip zustande, und man habe nur vier Wochen Zeit, gibt Simone Wisotzki zu bedenken. Sollte sich abzeichnen, dass der Vertrag durch diese Konsensregel so stark verwässert wird, "dass er das Papier nicht mehr wert ist, auf dem er geschrieben steht, sollten die westlichen Staaten diesen Vertrag nicht mittragen", so ihr Appell.