Unabhängig und misstrauisch
14. August 2012Im Jahre 1947 musste sich Großbritannien, finanziell durch den Zweiten Weltkrieg ruiniert, vom indischen Subkontinent zurückziehen. Das Ende Britisch-Indiens bedeutete gleichzeitig die Teilung des ehemaligen Kolonialreiches in die neuen unabhängigen Staaten Indien (15. August) und Pakistan (14. August, damals noch West- und Ostpakistan, das heutige Bangladesch). Millionen von Hindus, Moslems und Sikhs wurden dabei vertrieben. Die Zahl der Menschen, die der religiös motivierten Gewalt zum Opfer fielen, wird auf etwa eine Million geschätzt. Die indisch-pakistanische Grenze im Nordwesten wurde nicht eindeutig festgelegt, was zu den bis heute anhaltenden Auseinandersetzungen um Kaschmir führt, das von beiden Ländern beansprucht wird. Diese Spannungen führten zu Kriegen in den Jahren 1947, 1965, 1971 und 1999.
Gegenseitiges Misstrauen
Viele indische Politiker hatten 1947 gehofft, eine Abtrennung Pakistans verhindern zu können, und der Wunsch nach Wiederherstellung der Einheit des Subkontinents ist auch heute noch lebendig. Pakistan hingegen sieht sich von seinem aufstrebenden Nachbarn bedroht. Indien sehe sich als Supermacht der Region und wolle den kleineren Nachbarn einkreisen oder gar dominieren, so die Befürchtung Pakistans. Inzwischen ist dass Misstrauen eine Konstante der bilateralen Beziehungen, in beiden Ländern gilt der Nachbar der Mehrheit der Bevölkerung als Feind.
Es hätte nicht so kommen müssen. Der Gründungsvater und erste Staatspräsident Pakistans, Muhammad Ali Jinnah, wollte eine säkulare parlamentarische Demokratie einrichten. Er starb, bevor er sein Ziel erreichen konnte. Seine Nachfolger waren anderer Meinung. Die Militärs, die sehr früh für sich das Recht beanspruchten, die Außen- und Sicherheitspolitik zu bestimmen, haben das Land nach diversen Militärputschen inzwischen länger als die gewählten Zivilregierungen autoritär regiert.
Folgen der sowjetischen Invasion Afghanistans
Die Gräben wurden in den 80er Jahren tiefer als je zuvor. Im Zuge der sowjetischen Invasion Afghanistans wurde Pakistan zum Aufmarschgebiet islamistischer Aufständischer - unter ihnen Osama bin Laden -, die von der CIA finanziert wurden. Der Militärdiktator Pakistans in jener Zeit, Zia ul Haq, ergriff die Chance, eine tiefgreifende Islamisierung des Landes zu betreiben, die die Politik bis in die heutige Zeit maßgeblich beeinflusst. Der allmächtige militärische Geheimdienst ISI nutzte die Gunst der Stunde, um islamistische Gruppen zu unterstützen, allen voran die Terrororganisation Laschkar e-Taiba, die immer wieder Anschläge in Kaschmir und Indien verübt. Der blutige Anschlag in Mumbai von 2008 geht auch auf das Konto dieser Gruppierung.
Die Medien beider Länder tun wenig bis nichts, um das gegenseitige Misstrauen abzubauen. Die Berichterstattung ist bis heute einseitig und von klischeehaften Feindbildern geprägt. Journalisten aus beiden Staaten beschweren sich, dass eine objektive Berichterstattung institutionell behindert werde. Ähnlich ist es im Bildungswesen. Marva Bari, ein Journalist in Islamabad, erklärt, wie junge Pakistaner gezielt erzogen werden, um Indien als Feind zu betrachten: "Das pakistanische Bildungssystem fördert den Hass gegenüber Indien. Muslime werden als Opfer dargestellt, während alle anderen als böse Menschen bezeichnet werden. Kinder werden in dem Glauben erzogen, dass Indien der Hauptfeind Pakistans sei, und dass die beiden Länder mehr trenne als verbinde."
Fortschritte werden kommen
Die Gespräche über mehr Kontakte zur Völkerverständigung wurden nach dem Mumbai-Anschlag bis auf weiteres vertagt. Kuldip Nayar, ein bekannter indischer Journalist und Friedensaktivist, bleibt aber optimistisch: "Es wird dauern. Die Regierungen haben keine Alternative zum Frieden. Es wird keinen Krieg geben. Heute, morgen, später, werden die beiden Seite weiter verhandeln. Es wird keinen dramatischen Schritt wie den Fall der Berliner Mauer geben, aber wir werden irgendwann bessere Beziehungen haben."
Die Bereitschaft Indiens, Investitionen aus Pakistan zuzulassen, scheint jetzt das Tor zu einer Verständigung einen Spalt breit geöffnet zu haben. Dazu Moonis Ahmar, Professor für internationale Beziehungen an der Universität Karatschi: "Bilateraler Handel würde gewiss die Beziehungen zwischen Pakistan und Indien verbessern, weil die Geschäfte die zwischenmenschlichen Kontakte verstärken würden." Er warnt aber zugleich: "Manche Kreise in Indien und Pakistan sind sicherlich gegen derartige Kontakte. Aber wenn die Zivilgesellschaften beider Länder Handel und Investitionen, die im gegenseitigen Interesse sind, unterstützen, kann man den Kriegstreibern eine Niederlage bereiten".
Pakistans Haltung zum Terrorismus
Auch in Indien wird dieser Schritt positiv eingeschätzt. Savita Pande ist Professorin an der Jawaharlal-Nehru-Universität in Neu-Delhi: "Es sieht an und für sich ganz gut aus, und beim Handel machen wir Fortschritte. Indien hat gerade Pakistan zum ersten Mal erlaubt, in Indien zu investieren. Und Pakistan hat versprochen, Indien den Meistbegünstigungsstatus bis zum Jahresende einzuräumen."
Der Journalist Nayar warnt allerdings vor allzu großen Erwartungen. Indien wolle Entgegenkommen von Pakistan, bevor es weitergeht: "Ich denke, Indien will, dass Pakistan Schritte gegen die Terroristen einleitet, die Mumbai angegriffen haben. Aber Islamabad tut nichts, es spielt auf Zeit, und das verfehlt seine Wirkung in Indien nicht."