Unabhängige oder undurchsichtige Richterwahl?
28. September 2011Was es braucht, um Richter am Bundesverfassungsgericht zu werden, lässt sich kurz zusammenfassen: Lebenserfahrung und fundierte juristische Kenntnisse und Erfahrungen. Mit anderen Worten, man muss mindestens 40 Jahre alt sein und die sogenannte "Befähigung zum Richteramt" haben, also das Zweite Juristische Staatsexamen. Und man muss das passive Wahlrecht besitzen, also wählbar sein für parlamentarische Ämter wie beispielsweise ein Bundestagsmandat. Unter diesen Voraussetzungen ist dann die Wahl für eine einzige Amtszeit von zwölf Jahren zum Richter am Bundesverfassungsgericht möglich.
Umstrittene Richterwahl
Gerade diese Wahl aber ist umstritten: Die eine Hälfte der sechzehn Richter wird vom Bundesrat, also der Länderkammer als Vertretung der Bundesländer, gewählt. Hier reicht in einer direkten Wahl eine Zwei-Drittel-Mehrheit für die Besetzung der acht Richterämter.
Die anderen acht Richter, also die zweite Hälfte der Richter, wählt der Deutsche Bundestag. Und hier wird es undurchsichtig: Das Parlament wählt dazu zunächst einen Ausschuss, der aus zwölf Personen besteht und die Richter des Bundesverfassungsgerichts wählen soll. Aber schon bevor dieser Richterwahl-Ausschuss steht, sprechen sich die politischen Lager (Regierung und Opposition) ab: Wer schlägt welche Kandidaten für die zu besetzenden Richterämter vor? Welcher Kandidat kann von beiden getragen und also gewählt werden? Und wie sieht - im Falle eines erforderlichen Kompromisses - eine mögliche Gegenleistung aus, etwa bei der nächsten Richterwahl? Schließlich wählt der Richterwahl-Ausschuss mit qualifizierter, also Zwei-Drittel-Mehrheit die Verfassungsrichter aus - allerdings in nicht-öffentlicher Sitzung.
Geheimes Geklüngel oder ausgehandelte Ausgewogenheit?
Die einen sprechen von Mauschelei und Geschacher, um mit Vorabsprachen nach Parteienproporz "angestammte" Richterstühle zu verteidigen. Denn wenn das Gericht darüber entscheidet, ob ein vom Parlament beschlossenes Gesetz der Verfassung entspricht, also bestehen bleibt, oder ob es verfassungswidrig ist, kann das von massiver politischer Bedeutung sein. Nicht selten versucht die Opposition schließlich, über einen Gang nach Karlsruhe Gesetzesvorhaben der Regierung zu kippen. Welcher Richter dem einen oder dem anderen Lager gewogen ist, könnte bei der Entscheidung also durchaus eine Rolle spielen.
Andere vertreten die Ansicht, gerade durch diese Absprachen entstehe eine politisch ausgewogene Richterschaft, wie sie für die Kontrollfunktion des Gerichts der Politik gegenüber unabdingbar ist. Würde man stattdessen auf eine einfache Mehrheitswahl ohne Vorab-Verständigung setzen, könnte gerade dies dazu führen, dass das Bundesverfassungsgericht von den jeweils Herrschenden besetzt und so zum parteipolitischen Instrument wird.
Im einen wie im anderen Fall hängt es von der Integrität und dem Amtsverständnis der Bundesverfassungsrichter ab, ob das Bundesverfassungsgericht seiner Funktion, staatliches Handeln auf Verfassungsmäßigkeit - und zwar überparteilich - zu überprüfen, gerecht wird.
Autorin: Daphne Grathwohl
Redaktion: Hartmut Lüning