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Der Gasstreit aus ukrainischer Sicht

Lilja Hryschko15. Januar 2009

Der Streit zwischen Russland und der Ukraine zeigt, wie verwundbar Europa in Sachen Energiesicherheit ist. Weil wichtige Fragen im Gasstreit zwischen Moskau und Kiew ungeklärt sind, scheint eine Lösung außer Sichtweite.

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Moskau und Kiew streiten nicht nur über den GaspreisBild: AP/DW Fotomontage: Albrecht Schrader

Der russisch-ukrainische Konflikt wird mit harten Bandagen ausgefochten. Die Führung in Moskau beschuldigt die Ukraine des "Gas-Diebstahls". Kiew kontert, Russland habe nicht genug Gas und deshalb die Lieferungen nach Europa eingestellt. Das behauptet Bohdan Sokolowskyj, Beauftragter des ukrainischen Präsidenten für Fragen der Energiesicherheit.

Fragen nach verfügbarer Gasmenge

Das entscheidende Problem im Gasstreit sind die undurchschaubaren Geschäftsbeziehungen. Probleme wirft bereits die Frage nach der verfügbaren Gasmenge auf. Der ukrainische Energie-Experte Wolodymyr Saprykin weist darauf hin, dass Russland gewöhnlich einen großen Teil seiner Gasexporte in den zentralasiatischen Staaten kaufe. "Derzeit ist nicht völlig klar, ob Gasprom einen Vertrag mit Turkmenistan, Usbekistan und Kasachstan über den Ankauf des Gases unterschrieben hat. Vor dem Jahreswechsel gab es solche Vereinbarungen jedenfalls nicht. Nach dem Jahreswechsel haben weder Gasprom noch diese Länder etwas über solche Verträge mitgeteilt. Dennoch hat Russland genügend Gas. Denn wegen der Wirtschaftskrise haben viele russische Unternehmen ihre Produktion gedrosselt. Der eigene Energiebedarf ist deshalb geringer. Also dürfte allein das russische Gas für alle europäischen Länder ausreichen."

Saprykin zufolge hat die Ukraine der Durchleitung des Gases nach Europa zugestimmt, obwohl die Probleme zwischen Kiew und Moskau ungelöst sind. Noch gebe es weder eine Einigung über den Gaspreis für die Ukraine noch über die Höhe der Transitgebühren. "Die Ukraine hat einer Abkoppelung des Transits von den Gaspreisen zugestimmt. Wir verstehen, dass die Wiederaufnahme des Transits wichtig ist. Deshalb haben wir eine Verschlechterung unserer eigenen Verhandlungsposition in Kauf genommen und das Dokument über die Wiederaufnahme des Transits unterzeichnet", erläutert Saprykin.

Mehr Sicherheit durch langfristige Verträge

Wolodymyr Fesenko ist für das Zentrum für angewandte politische Studien in Kiew tätig. Problematisch sei, dass die Liefer- und Transitverträge bislang immer nur kurzfristig ausgehandelt wurden. Langfristige Liefer- und Transitverträge würden mehr Sicherheit und Stabilität in die Energiebeziehungen bringen. Außerdem sollte die Europäische Union in die weiteren Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine eingebunden sein: "Es gibt keinen Grund zu hoffen, dass die Europäische Union der Anwalt der Ukraine in diesem Konflikt sein wird. Aber die europäischen Länder könnten sich als Vermittler in den Verhandlungen über langfristige Verträge und die endgültige Bestimmung der Preisformel engagieren. Es darf nicht bei dieser Willkür bleiben, dass von russischer Seite einmal 250 und das nächste Mal dann 470 Dollar pro 1000 Kubikmeter Gas verlangt werden. Auch müssen diese Verträge einen Kontrollmechanismus zur Vermeidung von Konflikten beinhalten", erläutert Fesenko seine Position.

Moskau will Kontrolle über Pipelinenetz

Ein weiterer Streitpunkt zwischen Russland und der Ukraine ist das Pipelinenetz in der Ukraine. Moskau will die Kontrolle über die Leitungen übernehmen, was Kiew ablehnt. Ukrainische Experten verweisen auf die Rechtslage. "Die ukrainischen Gesetze verbieten das", sagt Ildar Gasisullin vom Internationalen Zentrum für Perspektivstudien. Das Netz müsse in staatlicher Hand bleiben. Er warnt vor einem Ausverkauf der ukrainischen Interessen. Zugleich hält er die russischen Preisforderungen für überzogen: "Die Position Russlands in der Welt wird schwächer, weil derzeit die Marktpreise für Öl und Gas fallen. Russland sieht das auch. Deshalb lässt es jetzt noch einmal die Energiemuskeln spielen. Aber es ist davon auszugehen, dass die Position Russlands als Energielieferant für die EU schrumpfen wird", lautet die Prognose des Experten.