Union fährt klaren Sieg bei Europawahl ein
Veröffentlicht 9. Juni 2024Zuletzt aktualisiert 9. Juni 2024Nach den jüngsten Hochrechnungen kommen CDU/CSU auf 30,2 Prozent der Stimmen. Gegenüber der vergangenen EU-Wahl vor fünf Jahren ist das ein leichtes Plus von 1,3 Prozentpunkten. Die rechtsgerichtete AfD legt um 4,9 Prozentpunkte zu und erreicht mit jetzt 15,9 Prozent den zweiten Platz. In Ostdeutschland ist die Partei mit großem Abstand stärkste Partei. Die SPD verliert 1,9 Prozentpunkte, sie steht damit jetzt bei 13,9 Prozent. Das ist ihr schlechteste Ergebnis bei einer bundesweiten Wahl. Schwere Verluste gibt es für die Grünen. Sie verlieren 8,6 Prozentpunkte und kommen laut Prognosen jetzt auf 11,9 Prozent der Stimmen.
Das erstmals angetretene Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) kommt auf Anhieb auf 6,1 Prozent und überholt damit die Linke. Diese büßt rund 2,8 Prozentpunkte ein und kommt nur noch auf 2,7 Prozent. Es ist ihr schwächstes Resultat bei Europawahlen. Die FDP liegt bei 5,1 Prozent, ein Minus von 0,3 Prozentpunkten. Auf andere Parteien entfallen rund 14 Prozent. Insgesamt gilt der Wahlausgang als Dämpfer für die regierende Ampel-Koalition in Berlin, denn alle drei Regierungsparteien verlieren Wählerstimmen.
Damit erreichen CDU/CSU den Hochrechnungen zufolge im EU-Parlament 30 Sitze, die AfD bekommt 16 Sitze. Es folgen die SPD mit 14 und die Grünen mit 12 Sitzen. Auf das BSW entfallen sechs Sitze, während die FDP auf fünf Sitze kommt und die Linke auf drei. Andere Parteien erhalten zusammen 14 Sitze.
Bei der Europawahl in Deutschland gilt anders als bei Bundestags- und Landtagswahlen keine Sperrklausel, also etwa eine Fünf-Prozent-Hürde. Die Wahlbeteiligung lag bei 65 Prozent. 2019 waren es 61,4 Prozent.
CDU-Generalsekretär sieht den Kanzler am Zug
CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann hat angesichts der Verluste für die SPD bei der Europawahl Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) aufgefordert, die Vertrauensfrage zu stellen. Der Kanzler müsse sich angesichts "mickriger 14 Prozent" die Frage stellen, ob er wirklich Politik für die Menschen mache, sagte Linnemann. "Ansonsten muss er den Weg freimachen zum Beispiel mit einer Vertrauensfrage."
Die Union sei "doppelt so groß wie die SPD". Entweder die Ampel mache einen Kurswechsel "oder den Weg frei für Neuwahlen". Ich hoffe, dass die Kanzlerpartei SPD Konsequenzen zieht". Das Ergebnis für die Union wertete Linnemann als "großen Erfolg". Dies zeige, das der Weg richtig sei.
SPD spricht von einem "ganz bitteren Ergebnis"
SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert bezeichnete das Abschneiden seiner Partei bei der Europawahl als "ein ganz bitteres Wahlergebnis" und betonte: "Für uns ist das heute eine harte Niederlage." Über die Person von Bundeskanzler Scholz gebe es keine Diskussion zu führen. Schuldzuweisungen oder eine Suche nach Sündenböcken lehnte Kühnert ab. "Es wäre schlechter Stil, das jetzt einer Person allein in die Schuhe zu schieben", sagte er. Auch sei es richtig gewesen, mit Bundeskanzler Olaf Scholz auf den Plakaten in den Wahlkampf zu gehen. Nun müsse die SPD auf Fehlersuche gehen und das Ergebnis ehrlich aufarbeiten, so Kühnert.
Enttäuschung bei den Grünen, Freude bei der AfD
Enttäuscht hat die Grünen-Vorsitzende, Ricarda Lang, auf die Stimmenverluste ihrer Partei bei der Europawahl reagiert. "Das ist nicht der Anspruch, mit dem wir in diese Wahl gegangen sind, und wir werden das gemeinsam aufarbeiten", sagte die Co-Parteichefin.
AfD-Co-Chef Tino Chrupalla sprach von einem "super Ergebnis" für seine Partei. Dies sei ein "guter Start ins Wahljahr". Seine Partei habe "fast 50 Prozent neue Wähler hinzugewonnen", betonte Chrupalla angesichts des Rekordergebnisses seiner Partei bei einer Europawahl. Co-Chefin Alice Weidel sagte, dass die AfD "nach dem holprigem Start in den Wahlkampf extrem gut in den Endspurt gegangen" sei.
Insgesamt waren seit Donnerstag mehr als 360 Millionen Europäer zur Stimmabgabe aufgerufen, um 720 Mitglieder des Europäischen Parlaments zu bestimmen. Die Europawahl hatte am Donnerstag in den Niederlanden begonnen, weitere Länder folgten am Freitag und Samstag. In den meisten der insgesamt 27 EU-Staaten begann der Urnengang am Sonntag, darunter auch in Österreich und Frankreich, dem EU-Land mit der zweitgrößten Bevölkerung nach Deutschland. Ergebnisse für die gesamte EU werden am späten Abend veröffentlicht, wenn in allen EU-Staaten die Wahllokale geschlossen sind.
"Lassen Sie uns Europa stärker machen"
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) gab ihre Stimme in Burgdorf bei Hannover ab. Im Anschluss rief sie nochmals zur Teilnahme an der Wahl auf. "Lassen Sie uns die Macht unserer Demokratie zeigen", schrieb von der Leyen im Onlinedienst X. "Lassen Sie uns Europa, unser gemeinsames Zuhause, stärker machen als je zuvor."
Die Wahl stand auch unter dem Eindruck des Ukraine-Kriegs. Der ungarische Regierungschef Viktor Orban sprach nach seiner Stimmabgabe in Budapest von einer "Pro-Friedens- oder Pro-Kriegs-Wahl". Der Rechtspopulist, dessen Regierung ab Juli die EU-Ratspräsidentschaft übernimmt, unterhält trotz des russischen Angriffskrieges in der Ukraine weiterhin enge Beziehungen zu Moskau.
Wahlberechtigt ab 16
Im künftigen EU-Parlament werden 96 EU-Abgeordnete aus Deutschland kommen, wo rund 65 Millionen Menschen wahlberechtigt sind. Mehr als 1400 Kandidatinnen und Kandidaten aus 35 Parteien und sonstigen Gruppierungen traten an. Erstmals durften auch Wählerinnen und Wähler ab 16 Jahren an der Europawahl in Deutschland teilnehmen - dies betrifft laut Statistischem Bundesamt rund 1,4 Millionen Menschen.
haz/kle (afp, dpa, rtr)