Schäuble soll Bundestagspräsident werden
27. September 2017"Für das Amt des Präsidenten des Deutschen Bundestags in der 19. Wahlperiode werden der Vorsitzende der CSU-Landesgruppe und ich der CDU/CSU-Bundestagsfraktion in der nächsten Sitzung Wolfgang Schäuble vorschlagen", teilte der Fraktionsvorsitzende Volker Kauder mit. "Wir freuen uns, dass sich Wolfgang Schäuble bereit erklärt hat, für das Amt zu kandidieren."
So sollen Kauder aber auch Bundeskanzlerin Angela Merkel Schäuble gebeten haben, das Amt zu übernehmen, das angesichts des Einzugs der AfD in den Bundestag größere Bedeutung haben wird als üblich. Schäuble ist mit Abstand der Abgeordnete mit den meisten Dienstjahren im Parlament: Seit 45 Jahren ist er Parlamentarier.
"Signal für Jamaika"
Die FDP sieht in dem geplanten Wechsel von Schäuble in das Amt des Bundestagspräsidenten auch ein Signal für eine Jamaika-Koalition. "Ich freue mich über das Zeichen der Kanzlerin für eine mögliche Jamaika-Regierung", sagte FDP-Bundesvize Wolfgang Kubicki den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland. "Damit steht das Finanzministerium für eine mögliche Personalentscheidung im Fall einer Regierung aus Union, FDP und Grünen zur Verfügung.
Schon im Wahlkampf deutete FDP-Chef Christian Lindner diesbezüglich Interesse an. Lindner erklärte daher auch, er habe Kauder die Unterstützung der FDP für die Kandidatur Schäubles zugesichert.
"Als herausragende Persönlichkeit verfügt Wolfgang Schäuble über eine natürliche Autorität, die an der Spitze des Deutschen Bundestages in diesen Zeiten von besonderer Bedeutung ist", fügte Lindner hinzu. "Er wird dem Parlament nach außen ohne Zweifel Geltung verschaffen und nach innen seine Würde wahren.
Zustimmung bei der SPD
Auch die SPD kann mit der Nominierung des jetzigen Finanzministers leben. Der neugewählte parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Carsten Schneider, erklärte die Unterstützung seiner Fraktion für Schäuble. Der CDU-Politiker sei "eine respektable Persönlichkeit", sagte Schneider der "Mitteldeutschen Zeitung". "Er hat die größte parlamentarische Erfahrung und wird das in einem anderen Stil, aber mit der gleichen Ausgewogenheit wie seine Vorgänger machen."
Die AfD-Bundestagsfraktion hat verhalten auf die Nominierung des CDU-Politikers Wolfgang Schäuble zum neuen Bundestagspräsidenten reagiert. "Ich habe hier keine Kritik, aber auch keine Zustimmung zu äußern", sagte der Fraktionsvorsitzende Alexander Gauland. "Natürlich hat die stärkste Fraktion da ein entscheidendes Mitspracherecht", sagte er weiter. Die Nominierung von Schäuble sei eine Entscheidung der CDU.
Top-Aufgabe für Schäuble
In der Unions-Spitze wird betont, dass man niemals auf Schäuble gekommen wäre, wenn man die Position des Bundestagspräsidenten jetzt nicht als Top-Aufgabe ansehen würde. Denn aus den Landesparlamenten wissen Parteien wie CDU und SPD, wie fintenreich die AfD teilweise auf der Klaviatur der Geschäftsordnungen spielt. Tabubruch gilt als Erfolgsmittel, um mediale Aufmerksamkeit zu bekommen.
Die Sorge ist groß, dass die neuen AfD-Abgeordneten diesen Konfrontations-Stil nun auch in den Bundestag tragen könnten. Auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier warnte ausdrücklich vor den roten Linien der politischen Debatte: Antisemitismus, Fremdenhass und das Leugnen der dunklen Flecken der deutschen Geschichte seien tabu. Aber Regelverstöße muss ein Bundestagspräsident in Debatten auch durchsetzen und ahnden.
In der Unionsfraktion wird darauf verwiesen, dass dies auch hohe Ansprüche an die stellvertretenden Bundestagspräsidenten der anderen Parteien stelle. Offen sei die Frage, wer eigentlich eingreife, wenn ein möglicher AfD-Vertreter im Präsidium eine Bundestag-Sitzung leite - und etwa Provokationen der eigenen Fraktion nicht ahnde. Bei den Grünen wird mit Blick auf die erwartete harte Auseinandersetzung generell eine höhere Präsenz im Plenum angemahnt.
Abläufe im Bundestag regeln
Der bisherige Parlamentspräsident Norbert Lammert war bei der Bundestagswahl nicht mehr angetreten. Die Besetzung des Amtes ist der stärksten Fraktion im Bundestag vorbehalten, also der Union.
Verletzt ein Abgeordneter die parlamentarische Ordnung, kann ihm der Präsident eine Rüge erteilen, das Wort entziehen oder ihn bis zu 30 Sitzungstage von den Verhandlungen ausschließen, wie es in der Geschäftsordnung des Bundestages heißt.
cgn/se (afp, dpa, rtr, bild.de)