Union will "ran an den Speck"
24. Juni 2013Der Titel soll den Weg weisen: "Regierungsprogramm 2013-2017" nennen CDU und CSU das, was sie nach der Bundestagswahl am 22. September in die politische Tat umsetzen wollen. Am Sonntag wurde das 127 Seiten starke Papier von den Parteivorständen einstimmig beschlossen. Am Tag danach präsentierten es die Bundeskanzlerin und CDU-Parteivorsitzende Angela Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer öffentlich in Berlin.
Vor rund 600 Mandatsträgern der Unionsparteien, vom Ministerpräsidenten bis zum Kreisvorsitzenden, gab sich Seehofer siegesgewiss: "Wir werden in 90 Tagen hier von Berlin aus verkünden können, Angela Merkel bleibt Kanzlerin der Bundesrepublik Deutschland!" Auch die Kanzlerin machte aus ihrer Zuversicht keinen Hehl. "Ran an den Speck die nächsten 12 Wochen, dann wird es ein guter 22. September", so stimmte sie ihre Zuhörer auf den Wahlkampf ein.
Richtungsentscheidung für Deutschland
Versammelt hatten sich die Unionspolitiker in den ehemaligen Opernwerkstätten in Berlin-Mitte. Bis vor Kurzem bauten hier Maler, Schlosser und Plastiker großformatige Bühnenbilder zusammen. Jetzt nutzten Merkel und Seehofer die Hallen, um die Politik von CDU und CSU ins beste Bild zu setzen. Die Bundestagswahl sei eine Richtungsentscheidung, so Merkel. Es gehe darum, ob Deutschland "unter Führung von CDU und CSU auf Erfolgskurs" bleibe, oder ob es "mit rot-rot-grün bergab" gehe. SPD, Grüne und Linke würden in Deutschland auf Steuerhöhungen und in Europa auf die Vergemeinschaftung von Schulden setzen. Das sei der falsche Weg, so Merkel.
Stattdessen müsse alles getan werden, um die Wirtschaft weiter in Schwung zu halten. Kern des Wahlprogramms ist zum einen ein Bekenntnis zur Haushaltskonsolidierung. CDU und CSU geben gleichzeitig aber milliardenschwere Versprechen ab. So etwa höhere Renten für Mütter, die vor 1992 Kinder bekommen haben, mehr Kindergeld, steuerliche Entlastungen für Familien sowie Investitionen in Infrastruktur und Bildung. Geplant sind auch eine Mietpreisbremse und ein branchenspezifischer und regional festgelegter Mindestlohn.
Das alles koste Geld, räumte Merkel ein. "Deshalb werden wir immer wieder schauen müssen: Wie entwickelt sich die Wirtschaft, wie entwickeln sich die Steuereinnahmen, wie können wir unsere finanzpolitischen Ziele erreichen und was sind dann die Spielräume, mit denen wir agieren können?" Weder die Finanz- noch die Staatsschuldenkrise seien vorhersehbar gewesen. Doch soweit man heute die Zukunft übersehen könne, sei es möglich, dem Bürger zu versprechen: "Das machen wir."
Opposition klagt
Für die SPD sind das "wahnwitzige Versprechen", wie ihr Kanzlerkandidat Peer Steinbrück am Montag sagte. Noch nie habe er erlebt, dass eine amtierende Partei ein "so ambitionsloses Programm" vorgelegt habe. Es bestehe "aus vielen Plattitüden und leeren Versprechen" mit keinerlei Finanzierungsvorschlägen.
SPD-Chef Sigmar Gabriel, der gemeinsam mit Steinbrück am Montagmorgen im Berliner Willy-Brandt-Haus vor die Presse ging, sprach von "Wahlbetrug mit Ansage", der die Politikverdrossenheit im Land weiter schüren werde. Alle Parteien hätten "schon lange den Fehler gemacht, vor der Wahl den Mund zu voll zu nehmen". Die Union setze da noch eins drauf und schalte "den Turbo" an. Nichts von dem, was die Union verspreche, sei zu verwirklichen.
In die gleiche Kerbe schlagen die Grünen. Die Versprechen im Unions-Wahlprogramm seien ohne Steuererhöhungen nicht zu finanzieren, sagte Parteichef Cem Özdemir. "Entweder Schulden- oder Steuererhöhungen oder Wahllügen" - eines von dreien stecke dahinter. "Anders als die Kanzlerin gesagt hat, steht das Programm nicht für Maß und Mitte, sondern für Makulatur und Mumpitz", so der Grünen-Chef.
Kritik auch aus den eigenen Reihen
Mit dieser Meinung steht die Opposition nicht alleine da. Auch vom Koalitionspartner FDP hagelt es Kritik. "Neue soziale Leistungen auf Pump wird es mit der FDP nicht geben", sagte FDP-Generalsekretär Patrick Döring, der seine Partei ein "Korrektiv" nennt, "das die Union, wie das Programm zeigt, dringend braucht". FDP-Chef Philipp Rösler hatte schon am Sonntag erklärt, die Union habe sich vom "süßen Gift des Geldausgebens" verleiten lassen. Eine höhere Mütterrente von 2014 an sei nicht finanzierbar.
Diese Kritik wird vom CDU-Wirtschaftsrat durchaus geteilt. Von einer Ausweitung der Sozialleistungen hält man dort nichts. Über das Wahlprogramm seiner Partei will sich der Vorsitzende des CDU-Wirtschaftsrats, Kurt Lauck, aber nicht aufregen. "Es ist eine traditionelle Übung in dieser Republik, vor den Wahlen Wahlversprechen zu machen, die dann anschließend in Regierungskoalitions-Verhandlungen wieder wegrationalisiert werden", sagte er im ARD-Bericht aus Berlin. Das gehöre zum politischen Tagesbetrieb. "Die Wähler wissen seit 50 Jahren, dass das so ist."