Unionsstreit: SPD will nicht länger zuschauen
2. Juli 2018CDU und CSU steuern den Regierungsflieger gegen die Wand und die SPD serviert Tomatensaft - so wird in den sozialen Medien über die Rolle der Sozialdemokraten in der Regierungskrise gewitzelt. Tatsächlich haben sich die Sozialdemokraten in den letzten zwei Wochen erstaunlich zurückgehalten. Die immer weiter eskalierende Auseinandersetzung zwischen CDU und CSU wurde zwar negativ kommentiert und die Streithähne zur Vernunft aufgerufen, das aber mit klar erkennbarer Distanz.
Inzwischen scheint man aber auch im Willy-Brandt-Haus den Ernst der Lage erkannt zu haben. Denn wenn die Unionsfraktion auseinander brechen würde, dann hätte das zwangsläufig auch Konsequenzen für den Koalitionspartner SPD. Mit finsterem Blick spricht SPD-Chefin Andrea Nahles am Montag von einem "rücksichtslosen Drama", das die Union aufführe. Ihr Geduldsfaden sei dünn geworden. "So geht das nicht weiter. Im SPD-Präsidium und im SPD-Vorstand können alle nur noch den Kopf schütteln über das Chaos bei CDU und CSU."
Die Union zur Vernunft bringen
Es müsse umgehend ein weiterer Koalitionsausschuss einberufen werden "und das noch heute", kündigt Nahles an. "Die CSU ist auf einem gefährlichen Ego-Trip, der Deutschland und Europa lähmt, die CDU wird angesichts von Ultimaten, Erpressungsversuchen und Rücktrittsdrohungen in die Ecke gedrängt." Es müsse über die Zukunft der Regierung gesprochen werden, sagt die SPD-Chefin, die offenbar nicht mehr so richtig an eine Beilegung des Unionsstreits glaubt. "Mein Optimismus war vorgestern größer", so Nahles.
Im schlimmsten Fall könnte die Regierung platzen. Damit wäre auch die Koalition zwischen Union und SPD Makulatur. Neuwahlen aber würden die Sozialdemokraten zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt treffen. Die Umfragewerte der SPD sind nach wie vor im Keller. Die anstehende Neuausrichtung der Partei steckt noch in den Startlöchern fest, die zukünftige Richtung ist keineswegs klar.
Retten, was zu retten ist
Die SPD ist daher um Schadensbegrenzung bemüht. Dazu gehört auch, demonstrativ zu arbeiten und sich mit Sachthemen zu befassen. Der Parteivorstand beschloss am Montag einen Fünf-Punkte-Plan "für eine europäische Migrations- und Flüchtlingspolitik". In dem Papier sprechen sich die Sozialdemokraten für "ein gemeinsames europäisches Asylsystem und solidarisch geteilte Verantwortung bei der Aufnahme und Versorgung von Flüchtlingen" aus. "Anders als bei anderen kennen unseren Plan auch alle", so Nahles mit einem Seitenhieb gegen die CSU und ihren lange geheim gehaltenen und umstrittenen "Masterplan Migration".
Der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer hatte sein Papier am Sonntag dem Parteivorstand in München vorgelegt. Es umfasst 65 Punkte, denen die Bundeskanzlerin weitgehend zustimmt. Streit gibt es mit Angela Merkel allein um die Forderung Seehofers, Flüchtlinge, die bereits in anderen EU-Ländern registriert sind, in Zukunft an der deutschen Grenze abzuweisen.
SPD hat eigene Pläne
Diese Forderung will auch die SPD nicht mittragen. Die Sozialdemokraten halten aber auch nichts von geschlossenen Lagern für Asylbewerber, wie es Seehofer in Form von sogenannten Ankerzentren vorgeschlagen hat. Stattdessen ist im Fünf-Punkte-Plan der SPD von "Ausschiffungsplattformen" die Rede, für die Konzepte zu entwickeln seien. Damit sind Auffanglager für aus dem Mittelmeer gerettete Flüchtlinge und Migranten gemeint.
Diese sollten aber weder geschlossen noch außerhalb der EU angesiedelt sein. Lager in Nordafrika lehnt die SPD ab. "Konzeptionell liegen keine Vorschläge vor, die die SPD überzeugen", so Nahles mit Blick auf den Masterplan der CSU, aber auch auf die auf dem EU-Gipfel verhandelte Verschärfung der Asylpolitik.
Automatisch wird gar nichts gut
Für die zukünftige Regierungspolitik heißt das, dass es auch nach einem beigelegten Streit zwischen CDU und CSU weiter Konfliktpotenzial gibt. "Es gibt keinen Automatismus, wenn sich die beiden Unionsschwestern einigen, dass wir das dann mitttragen, um das mal ganz klar zu sagen", betont Nahles.
Die SPD-Chefin favorisiert vielmehr ihren eigenen jetzt vorgestellten Fünf-Punkte-Plan zur Asyl- und Flüchtlingspolitik. Dem ersten Punkt zufolge soll dabei die Entwicklungszusammenarbeit weiter verbessert und das humanitäre Engagement ausgebaut werden. Europa trage Verantwortung in der Welt. Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR und das World Food Programme (WFP) müssten "angemessen" finanziell ausgestattet werden.
Flüchtlinge schneller abschieben
Deutlich sprechen sich die Sozialdemokraten in dem Papier gegen flächendeckende Binnengrenzkontrollen aus. Dadurch werde die Freizügigkeit als eine der zentralen Errungenschaften in Europa eingeschränkt. Deshalb dürfe es bei der Rückweisung von bereits registrierten Asylsuchenden auch keine nationalen Alleingänge geben, sondern eine europäische Lösung. Künftig sollten Flüchtlinge "in einem beschleunigten Verfahren" in ihr Ersteinreiseland zurückgebracht werden. Damit die sogenannten Rückführungen schneller werden, solle der Bund dies übernehmen und nicht die jeweils zuständige Ausländerbehörde.
Die Außengrenzen der EU müssten besser geschützt und die europäische Grenzschutzagentur Frontex ausgebaut werden. Staaten mit EU-Außengrenzen sollten bei ihren Aufgaben administrativ und finanziell unterstützt werden. Bei übermäßig vielen Asylanträgen in einem Land soll auch Deutschland Flüchtlinge aufnehmen müssen. Darüber hinaus soll ein Einwanderungsgesetz die legale Einwanderung von Arbeitskräften ermöglichen.