Unruhen erschüttern Tempelberg in Jerusalem
8. Mai 2021Bei Unruhen am Tempelberg in der Jerusalemer Altstadt erlitten mehr als 200 Palästinenser Verletzungen, wie der Rote Halbmond berichtet. Zudem wurden mindestens sechs israelische Polizisten verletzt.
Im Anschluss an das Abendgebet, zu dem sich Zehntausende Muslime an der heiligen Stätte versammelt hatten, warfen Hunderte Personen mit Steinen, Flaschen und anderen Gegenständen nach den Beamten. Die Polizei sperrte Aufgänge zum Tempelberg sowie das Damaskustor zur Altstadt ab und ging mit Gummigeschossen und Blendgranaten gegen die Menge vor der Al-Aksa-Moschee vor. Über der Altstadt stieg Rauch auf.
Gleichzeitig gingen im Stadtteil "Scheich Jarrah" erneut Palästinenser und Aktivisten auf die Straße. Sie protestierten abermals gegen die geplante Zwangsräumung von Häusern palästinensischer Familien im Ostteil Jerusalems, den Israel im Sechs-Tage-Krieg 1967 besetzt und 1980 annektiert hatte. Die Annexion wird international nicht anerkannt. Die Polizei löste die Kundgebung auf, nachdem Teilnehmer mit Steinen warfen. Zwei Personen wurden festgenommen, zwei weitere durch Blendgranaten verletzt.
Langwieriger Rechtsstreit
Anfang des Jahres hatte Jerusalems Bezirksgericht entschieden, dass die Häuser der palästinensischen Familien rechtmäßig jüdischen Familien gehören. Nach israelischem Recht können jüdische Israelis vor Gericht Besitzanspruch auf Häuser in Ost-Jerusalem anmelden, wenn ihre Vorfahren vor dem arabisch-israelischen Krieg (1948-49) dort im Besitz von Grundstücken waren. Für Palästinenser, die ihr Eigentum ebenfalls infolge des Kriegs verloren, gibt es dagegen kein entsprechendes Gesetz.
Die Vereinten Nationen riefen Israel auf, "sofort alle Zwangsräumungen abzusagen". Ost-Jerusalem sei "Teil des besetzten palästinensischen Gebiets, in dem das humanitäre Völkerrecht gilt", erklärte der Sprecher des UN-Rechtsbüros, Rupert Colville. "Die Besatzungsmacht kann kein Privateigentum in besetztem Gebiet konfiszieren."
Sorge in den USA
Die USA äußerten sich "tief beunruhigt" über die Lage in Jerusalem. Das Außenministerium rief zur "Deeskalation" auf und warnte vor Schritten, die zur Verschärfung der Situation führen könnten. Das Ministerium bezog sich dabei auf Zwangsräumungen und Israels Siedlungsaktivitäten.
Die palästinensische Führung machte Israel für die eskalierende Gewalt verantwortlich. Eine Fortsetzung der israelischen Besatzung würde die Spannungen nur noch verschärfen und eine gefährliche Eskalation zur Folge haben, ließ der palästinensische Präsident Mahmud Abbas erklären.
Der Status Jerusalems ist eine der zentralen Streitfragen im Nahost-Konflikt. Israel beansprucht Jerusalem als "ewige und unteilbare Hauptstadt" für sich. Die Palästinenser halten ihrerseits
an ihrem Anspruch auf Ost-Jerusalem als Hauptstadt fest.
kle/haz/mak (kna, afp, ape, rtre)