Unterhaltsamer Übernahme-Poker
7. Juli 2003Es wurde auch Zeit. Lange schon hatte der Wirtschaftsboss, den die "Financial Times" kürzlich als "the hard man of software" bezeichnete, nicht mehr für Schlagzeilen gesorgt. Jetzt ist Larry Ellison, Vorstandschef und Gründer von Oracle, dem zweitgrößten Software-Konzern der Welt, wieder da, wo es ihm am besten gefällt: im Mittelpunkt einer Kontroverse.
Tumulte in der Branche und internationales Medieninteresse löst man am besten - Ellison weiß das aus langjähriger Erfahrung als enfant terrible der IT-Szene - durch einen gezielten Regelverstoß aus. Eines der ehernen Branchen-Gesetze besagt, dass feindliche Übernahmen Tabu sind. Das wichtigste Kapital von Software-Firmen, so der Branchen-Kodex, steckt in den Köpfen der Programmierer und Entwickler, für die die angestammte Unternehmenskultur sehr wichtig ist und die äußerst sensibel auf Änderungen ihres Arbeitsumfelds reagieren. Deshalb galt bisher das Credo: Fusionen und Übernahmen in der Software-Branche sind nur einvernehmlich möglich.
Ellison gegen den Rest der Branche
Larry Ellison setzte die Business-Regeln seiner Kollegen am 6. Juni außer Kraft. Vom Sitz im kalifornischen Redwood Shores kündigte Oracle die geplante Übernahme des auf Unternehmenssoftware spezialisierten Konkurrenten PeopleSoft an. Der Kauf des Wettbewerbers werde Oracle profitabler und stärker machen, sagte Ellison und ließ Kunden und Mitarbeiter von PeopleSoft auch gleich wissen, dass man die Produkte des Unternehmens nicht mehr weiter verkaufen wolle. Neukunden sollten stattdessen auf die Oracle-Software umsteigen.
Die Provokation war gelungen. PeopleSoft, das selbst erst wenige Tage zuvor den einvernehmlichen Kauf des kleineren Rivalen J.D. Edwards angekündigt hatte, reagierte empört auf das unerbetene Angebot des agressiven Software-Riesen. Die Offerte sei eine "bösartige, unseriöse und durchsichtige Attacke mit dem alleinigen Ziel, uns platt zu machen", sagte Vorstandschef Craig Conway. Oracle inszeniere eine "Zirkusnummer um PeopleSoft zu schaden und die geplante Übernahme von J.D. Edwards zu verhindern", sagte er und kündigte an: "Es gibt keine Summe, keine Bedingung, unter der wir PeopleSoft an Oracle verkaufen."
Kartellverfahren gegen Oracle
Gegenwind bläst dem passionierten Hobby-Pilot und Yacht-Eigner Ellison auch von der Justiz entgegen. Der US-Bundestaat Connecticut leitete wegen der geplanten Übernahme ein Kartellverfahren gegen Oracle ein. Aus gutem Grund: Erst kürzlich wurde die Verwaltung des Bundesstaats für Hunderte von Millionen Dollar modernisiert - mit Software von PeopleSoft. Die Übernahme der Firma, so die Argumentation der Behörden, könnte diese Investition gefährden oder gar zunichte machen.
Von all dem lässt sich Ellison nicht beeindrucken. Im Gegenteil, der im Gegensatz zu anderen IT-Bossen immer perfekt gekleidete Milliardär legte nochmals nach und erhöhte das Angebot für PeopleSoft auf 6,2 Milliarden Dollar. Auf die Frage, ob er den Kaufpreis nochmals aufstocken werde, antwortete er nur: "Sag niemals nie." Als einziges Zugeständnis an seine Kritiker ließ Ellison verkünden, Oracle werde PeopleSoft-Produkte nun doch mindestens zehn Jahre lang weiterentwickeln und betreuen. Trotz dieser Ankündigung glauben viele Branchenexperten, dass Oracle es in Wirklichkeit nur auf eines abgesehen hat: die Kundenliste des Konkurrenten.
Möglicher Gewinner aus Baden
Bislang wurden Oracle nach eigenen Angaben rund elf Prozent der PeopleSoft-Aktien zum Kauf angeboten. Doch die Entscheidung, ob sie ihre Anteile verkaufen oder nicht, werden viele Investoren erst kurz vor Ablauf des Übernahmeangebots am 18. Juli fällen. Im Gegenzug versucht PeopleSoft seinerseits Tatsachen zu schaffen und forciert die Übernahme von J.D. Edwards für rund 1,8 Milliarden Dollar, die Oracle kategorisch ablehnt.
Gut möglich, dass der überraschende Sieger der Übernahmeschlacht der US-Konzerne aus dem badischen Walldorf kommt. Der weltweit drittgrößte Software-Hersteller und Marktführer bei Unternehmenssoftware, SAP, wirbt mit ganzseitigen Anzeigen in großen Tageszeitungen gezielt um die verunsicherten Kunden der drei Wettbewerber. Offenbar mit Erfolg: Bislang habe man mit 25 US-Kunden der Konkurrenten Wechselgespräche geführt, heißt es in Walldorf.