Unternehmen wollen Flüchtlinge integrieren
9. März 2016Er sei "absolut positiv überrascht", sagt Theo Baumstark, vom Engagement und der Willensstärke seines Schützlings: Seit November betreut der Geschäftsführer einer Wiesbadener Firma für Wärme- und Gesundheitstechnik einen afghanischen Flüchtling - nächste Woche soll er als Praktikant in der Firma einsteigen. Er sei beeindruckt, wie schnell der junge Mann Deutsch gelernt habe.
Baumstarks Unternehmen ist eine von etwa 330 Firmen, die gemeinsam ein Netzwerk "Unternehmen integrieren Flüchtlinge" gestartet haben, das am Mittwoch im Wirtschaftsministerium vorgestellt wurde. Das Projekt, das vom Bund mit 2,8 Millionen Euro gefördert wird und beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) in Berlin angesiedelt ist, soll sich zu einer Plattform entwickeln, die Unternehmen über Rechtsfragen, gute Beispiele und Integrationsinitiativen informiert - und auch Veranstaltungen in den Regionen organisieren soll.
Gabriel: Arbeit führt zu Integration
Er sei sehr dankbar für die Initiative, betonte Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) auf einer Pressekonferenz: Neben allen anderen Anstrengungen in Deutschland, wie Sprachkurse oder Wohnungsbau, zähle am Ende des Tages vor allem die Integration in die Arbeitswelt. Wer Arbeit habe, der könne seine Zukunft selbst in die Hand nehmen.
Das Wirtschaftsministerium werde zudem bald einen Gesetzesentwurf auf den Weg bringen, der die Rahmenbedingungen für die Ausbildung Flüchtlinge verbessern soll: Derzeit müssen diese jedes Jahr aufs Neue die Ausbildung beantragen - und dürfen nicht älter als 21 Jahre sein. Das soll sich nun ändern: Demnach dürfen Flüchtlinge bis 25 Jahre eine Ausbildung beginnen und müssen diese dann nicht mehr jährlich beantragen. Außerdem sollen sie, so der Plan, in Zukunft nach dem Abschluss ihrer Arbeit mindestens zwei Jahre in Deutschland arbeiten dürfen - derzeit gibt es keine pauschale Aufenthaltserlaubnis, die sich an eine Ausbildung anschließt.
Viele mittleren und kleinen Unternehmen suchen schon seit Längerem nach Auszubildenden und auch Fachkräften - vor allem in den ländlichen Regionen bleiben Stellen und auch Ausbildungsplätze oft unbesetzt.
Trotzdem bezweifeln viele, dass die über eine Millionen Flüchtlinge, die allein im vergangenen Jahr nach Deutschland gekommen sind und nach drei Monaten in Deutschland unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus arbeiten dürfen, diese Stellen tatsächlich so einfach besetzen können.
Problem: Mangelnde Qualifikationen
Viele Flüchtlinge hätten keine ausreichende Qualifikationen, und "sprechen zu fast 100 Prozent kein Deutsch", erklärte Eric Schweitzer. Die Integration, so der Präsident des DIHK, gehe deshalb "nicht von heute auf morgen." Er gehe davon aus, dass die Integration in den Arbeitsmarkt mindestens fünf bis zehn Jahre dauern werde.
Sie wolle nicht verschweigen, dass es am Anfang "sehr, sehr schwer" gewesen sei, so auch Bettina Schmaude, die kaufmännische Leiterin eines Kfz-Handwerks-Betriebes in Kirchheim in Baden-Württemberg. Ihr Betrieb bildet seit zweieinhalb Jahren einen irakischen Flüchtling aus.
Die Integration der vielen Menschen, die nach Deutschland geflüchtet sind, in den Arbeitsmarkt werde, da ist Schmauder sich sicher, "sicherlich nicht einfach, weil der Ausbildungsstand der Flüchtlinge relativ gering ist." Deshalb setzen viele Unternehmen zunächst auf Bildung und Qualifikationen: Die Deutsche Bahn etwa will nach eigenen Angaben ein Programm, das Hauptschüler ohne Schulabschluss für eine Ausbildung vorbereiten soll, auf Flüchtlinge ausweiten.
Den Fachkräftemangel in Deutschland, ist Schmauder überzeugt, wird die Flüchtlingswelle deshalb nicht lösen können: "Ganz klar nein, weil wir diese Kräfte von ganz, ganz unten aufbauen müssen. Das sind ganz andere Probleme." Aber wenn immer mehr Betriebe ihren Beitrag leisteten, dann könne die Integration vieler Flüchtlinge - wenn auch nicht aller Menschen - gelingen. Nur dann, das betont auch Baumstark, "können wir die Milliionen (Flüchtlinge) retten."