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Unterwegs zwischen Paris, Sanaa und Istanbul

Stefan Franzen, Qantara.de12. Juni 2006

Jean-Pierre Smadja alias Smadj ist derzeit einer der rührigsten Weltmusiker aus dem arabischen Raum. Ganz unorthodox spinnt er die Bande zwischen seiner ersten Wahlheimat Paris und der neuen Heimstadt Istanbul.

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Jean-Pierre Smadja

Seine früheste Kindheit verbrachte Jean-Pierre in Tunesien, kam aber sehr früh mit der Familie nach Paris. Aus der Heimat haben die Eltern, Tanten und Onkels die arabische Musik, Sprache und das festliche Brauchtum mitgenommen. Dennoch interessierte sich der Pubertierende zunächst für Folk, Jazz und Bossa Nova. "Zu meinem 13.Geburtstag", erinnert er sich, "hat mir meine Familie dann allerdings eine Oud geschenkt. Da war es um mich geschehen. Ich kannte schon die Aufnahmen von Rabih Abou-Khalil und Anouar Brahem und habe in den Ferien versucht, mir selbst anhand dieser Platten das Spielen beizubringen."

Instrumentenbauer im Irak - Traditionelle Laute (Oud)
Instrumentenbauer mit einer OudBild: dpa

Nach etlichen Jahren fand er in Gestalt des Algeriers Mehdi Haddab endlich einen adäquaten Lehrer, der zugleich sein Partner beim DuOuD, seinem Hauptprojekt der letzten Jahre, wurde. Haddab brachte dem Oud-Adepten die Kniffe auf den Saiten bei, während Smadj sein Gegenüber in die Geheimnisse elektronischer Soundprogramme einweihte. Die hatte sich der Tontechniker wegen seiner Begeisterung für Drum & Bass beim Pariser Label Bleu angeeignet.

"Filter für traditionelle Musik"

Zu sehen an seinen drei Solo-Alben, die von cleverer Ethno-Electronica zeugen. Das DuOuD stemmte die große Aufgabe, Traditionelles auf der Laute mit Bits & Bytes zu verzahnen. Ihr Debüt "Wild Serenade" wurde zu einem erstaunlichen Manifest moderner Oud-Literatur, das nun mit einer erstaunlichen Wendung sein zweites Kapitel fertig geschrieben hat.

Als das jemenitische Sanaa 2004 Kulturhauptstadt der arabischen Welt wurde, lud das französische Kulturzentrum die Oud-Avantgardisten ein, dort als "residence artists" zu spielen. Der Aufenthalt führte zu einer längeren Partnerschaft mit dem Sänger und Oud-Meister Abdulatif Yagoub – mit ihm und weiteren Musikern an Schalmei und Percussion entstand das Album "Sakat".

"Auf dem Album hört man traditionelle Stück des Jemen, die wir allerdings von der Struktur her völlig verändert haben", erklärt Smadj. "Doch letztendlich fungieren wir nur als Filter für diese Musik – die Leute vor Ort haben ihre Musik auch sofort erkannt und waren sehr aufgeschlossen, haben bei unseren Konzerten in Sanaa und Aden getanzt."

Als "Brückenbauer" zwischen Frankreich und Türkei

Smadjs erklärtes Ziel ist es, die bislang fast hermetisch abgeschlossene Musikkultur des Jemen den Europäern mit "Sakat" näher zu bringen. Fasziniert berichtet er über die besondere Spielart der Oud und die uralte, erhabene, von hoher Leuchtkraft erfüllte Poesie. In der Tat verursacht Yagoubs machtvolle Vokalkunst mit dem eigentümlich "meckernden" Timbre Gänsehaut. Eine Öffnung hin zum Westen verspricht er sich auch von seinen türkischen Projekten: "Es gibt derart viele gute türkische Musiker, die nicht nach außen wirken. Ich stehe kulturell nun zwischen Frankreich und der Türkei und denke, dass ich als Brückenbauer dienen kann. Ich dachte, wenn ich jetzt hier meine Zelte aufgeschlagen habe, dann will ich auch ein Projekt unter eigener Regie anfangen, so kam das Trio SOS zustande."

Mit dabei sind der Roma-Klarinettist Savaş Zurnacı und der in Griechenland aufgewachsene Bouzouki-Spieler Orhan Osman. In einem Café in Istanbul wurden Jam-Sessions veranstaltet und der Kontakt weiter aufrecht gehalten. In der Zwischenzeit machte sich Smadj daran, als Araber "türkische" Musik zu komponieren: "Drei Jahre lang habe ich mich intensiv in die Klänge des Landes vertieft. Aus den Elementen, die mir gefielen, habe ich eigene Stücke gebaut."

Araber mögen türkische Musik

Ein bisschen Herzklopfen habe er gehabt, ob die Türken denn seine Spielart ihrer Musik akzeptieren würden, gesteht Smadj – und das nicht ohne Grund. "Araber und Türken arbeiten mit den teils gleichen Instrumenten, und die Maqammat (Skalen) unterscheiden sich nur um Nuancen. Doch meine Beobachtung ist, dass ein türkisches Publikum sich verblüffend gut im eigenen Repertoire auskennt, gewöhnlich aber nicht sehr empfänglich für auswärtige Einflüsse ist."

Vielleicht bedürfte es mehr verjüngender Injektionen à la Smadj und mehr Austausch zwischen Bosporus und arabischer Welt. Die eine oder andere Pforte wird der umtriebige Allrounder sicher noch von Istanbul aus aufstoßen.