"Urheberrechtsreform bietet viele Spielräume"
27. März 2019Am Ende hat aller Protest nichts genutzt. Das EU-Parlament hat am Dienstag die neue EU-Urheberrechtsreform beschlossen, trotz zehntausender Demonstranten auf den Straßen und millionenfachem Widerspruch im Netz. Mit der Richtlinie sollen die Rechte von Verlagen sowie Autoren, Musikern und anderen Kreativen im Netz besser geschützt und vergütet werden.
Kritiker befürchten jedoch Zensurmöglichkeiten und einen Verlust der Kultur des Teilens und Veränderns von Inhalten im Internet, insbesondere durch Uploadfilter. Sie sollen verhindern, dass Einzelne beispielsweise Videos auf Plattformen wie Youtube hochladen, die nicht die entsprechenden Rechte besitzen.
Die Reform ist durch - oder doch nicht?
Noch ist die Urheberrechtsreform kein Gesetz. Voraussichtlich am 15. April müssen die Regierungen der EU-Länder die Reform bestätigen. Erst damit wäre das EU-Gesetzgebungsverfahren abgeschlossen. Einzelne EU-Parlamentarier, etwa Tiemo Wölken von der SPD, haben die Bundesregierung bereits aufgefordert, die Reform im EU-Ministerrat zu Fall zu bringen. Doch weder Wölkens Parteigenossin, die zuständige Justizministerin Katarina Barley, noch Bundeskanzlerin Angela Merkel von der CDU ziehen dies in Betracht.
"Die Bundesregierung steht zu diesem Kompromiss", sagte Merkels Sprecher Steffen Seibert am Mittwoch. Barley hatte bereits am Dienstag im ARD-Fernsehen erklärt, dass "wir die Richtlinie so userfreundlich wie möglich umsetzen, damit wir die größtmögliche Freiheit im Netz erhalten." Stimmen alle EU-Regierungen zu, dann haben sie jeweils zwei Jahre Zeit, die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. Jedes Land muss also eigene Vorschriften erlassen.
"Bezahlen statt Blocken"
"Dabei sind noch viele Spielräume offen, die von uns ausgefüllt werden können", sagt Lisa Winkelmeier-Becker, die rechtspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag. Die CDU hat angekündigt, dass die umstrittenen Uploadfilter dabei auf nationaler Ebene nicht umgesetzt werden. Stattdessen soll der Grundsatz "Bezahlen statt Blocken" gelten. Plattformen wie Youtube oder Facebook sollen also von Rechteinhabern Lizenzen erwerben, damit Nutzer weiterhin deren Material verwenden und hochladen können.
Für den Fall, das Inhalte hochgeladen werden, für die noch keine Lizenz besteht, will die CDU eine pauschale Lizenz einführen. Laden Nutzer also nur einige Sekunden, etwa eines Videos hoch, dann "würde überhaupt nichts weiter passieren", sagt Winkelmeier-Becker im Gespräch mit der DW. "Ein Vorschlag ist nämlich, dass wir eine Untergrenze festlegen. Unter diese Regelung würden schon eine große Zahl von GIFs und Memes und Zitaten und dergleichen fallen."
Uploadfilter durch die Hintertür?
Viele Experten und Politiker bezweifeln indes, dass die großen Plattformen nicht doch Uploadfilter nutzen werden, um Lizenzproblemen aus dem Weg zu gehen. "In der Richtlinie steht eben drin, dass automatische Vorkehrungen getroffen werden müssen, die das erneute Hochladen von Inhalten verhindern", sagt Jens Zimmermann, der digitalpolitische Sprecher der SPD im Bundestag im DW-Interview.
"Da gibt es nicht so viele Möglichkeiten, wie man das anders interpretieren kann. Deswegen bin ich sehr, sehr skeptisch was diesen Vorschlag der CDU angeht." Es könne nun nur noch um die konkrete Ausgestaltung der Richtlinie gehen, "aber nicht um die Sache an sich." Spannend werde es, wenn in einigen Jahren Streitfälle zum EU-Urheberrecht vor Gericht landeten, sagt Zimmermann. "Dann wird sich eine europäische Rechtsprechung rund um diese Richtlinie entwickeln. Und da wird sich zeigen, ob der Text, der jetzt formuliert wurde, wirklich hält."
Flickenteppich im Urheberrecht?
Spannend dürfte zunächst aber die Diskussion zwischen den Koalitionspartnern CDU/CSU und SPD werden. Schließlich müssen sie sich nun auf ein Gesetz einigen, um die Richtlinie umzusetzen. Jens Zimmermann von der SPD rechnet dabei mit "angeregten Diskussionen". Lisa Winkelmeier-Becker von der CDU glaubt, dass es keine zwei Jahre bis zu einer nationalen Einigung braucht. Die deutsche Gesetzgebung könne dabei auch als Modell für andere EU-Länder dienen, meint die CDU-Politikerin.
"Wir müssen aber auch sehen, dass in Frankreich zum Beispiel die ganze Diskussion anders geführt wird als in Deutschland", sagt Winkelmeier-Becker. "Der Aspekt der Vergütung der Künstler steht dort noch stärker im Vordergrund und die Bedenken hinsichtlich der Nutzungsmöglichkeiten sind weniger ausgeprägt." Am Ende könnten die EU-Staaten die Richtlinie zum Urheberrecht also recht unterschiedlich auslegen. In Deutschland jedenfalls dürfte das Thema weiterhin für Aufregung sorgen.