Gefährliches Urlaubsparadies
25. August 2009Die Hauptstadt des Konfliktgebiets strahlt sommerliche Idylle aus. Ruhig liegt das Schwarze Meer vor der Promenade von Suchumi. Im Schatten der Bäume sitzen alte Männer und spielen Domino. An der Uferstraße erstrahlt in frischem Weiß das Hotel Riiza, ein Jahrhundertwendegebäude mit einem runden Erker und einer kleinen Kuppel. Im Krieg vor 15 Jahren wurde die Kuppel von einem Panzer zerschossen.
"Als ob dort Heckenschützen säßen", ereifert sich der Künstler Timur Kaitan. "Das ist doch die Visitenkarte der Stadt." Ein lokaler Geschäftsmann habe das Hotel wieder herrichten lassen und er selbst habe an der Restaurierung der Kuppel mitgearbeitet. Kaitan ist Künstler und eigentlich, sagt er, wäre das eine Arbeit für einen Restaurator gewesen. Aber richtige Restauratoren gebe es eben nicht in Abchasien. "In Deutschland haben sie nach dem Krieg ja auch alle zusammen mit angepackt und ihre Städte wieder aufgebaut", verkündet er. "So machen wir das auch."
Rückkehr der Touristen
In Abchasien herrscht Aufbruchstimmung. Zwar sind die Spuren des Krieges nicht zu übersehen. Im Stadtzentrum steht noch immer übergroß das zerschossene ehemalige Regierungsgebäude, an der Küste sieht man ausgebrannte sowjetische Hotelblocks. Doch dazwischen wird gebaut. Neben dem Hotel Riiza wird gerade das zweite Wahrzeichen der Stadt restauriert - das Hotel Abchasia.
Immer wieder gehen an den dominospielenden Männern Grüppchen russischer Touristen in kurzen Hosen vorbei. Sie komme aus Moskau, sagt eineTouristin, und sei schon überall gewesen, in Ägypten, in Belgien, den Niederlanden. Aber dieses Jahr habe sie sich für Abchasien entschieden. "Hier ist das Klima hervorragend. Das Meer ist wunderschön ruhig und schillert in wunderschönen Farben. Und die Leute sind auch nicht schlecht", schwärmt sie. Und nicht zuletzt sei Abchasien billiger als andere Urlaubsorte.
Fast alle Touristen hier kommen aus Russland, genauso wie die meisten Investitionen, Waren und auch ein gewisser Teil des Staatsbudgets. Sergei Schamba ist Außenminister der Republik, die nur von zwei Staaten anerkannt wird: von Russland und Nicaragua. Eine Alternative zur engen Anbindung an Russland sieht er nicht. "Der Westen tut selbst alles dafür, dass wir ein Teil Russlands werden", glaubt er. Immer wieder verweigerten die europäischen Staaten Abchasen Visa. "Diese Politik hat uns gezwungen, die doppelte Staatsbürgerschaft einzuführen. Viele unserer Bürger haben neben dem abchasischen noch einen russischen Pass." Doch auch damit würden Visa verweigert.
"Nur Russland kann unsere Sicherheit garantieren"
Abchasien ist ein kleiner Küstenstreifen am schwarzen Meer, eingeklemmt zwischen Georgien und der russischen Föderation. Anfang der 90er-Jahre hat sich der Landstrich von Georgien losgesagt. Es kam zum Bürgerkrieg, 250.000 Georgier wurden aus Abchasien vertrieben, die Hälfte der Bevölkerung. Seit 15 Jahren ist das Land de facto unabhängig.
Die Grenze zu Georgien ist geschlossen, der einzige Weg aus dem Land führt übers Meer in die Türkei oder über den Grenzfluss zu Russland. Seit die russische Regierung die Republik im August vergangenen Jahres anerkannt hat, ist eine Lösung des Konflikts nicht eben wahrscheinlicher geworden. Die Abhängigkeit von Russland wächst.
Trotzdem, sagt die Bürgerrechtlerin Arda Inal-Ipa, habe sie aufgeatmet, als Russland die Unabhängigkeit anerkannt habe. "Wir verstehen die Konsequenzen, die Schwierigkeiten, die aus einer solchen Abhängigkeit entstehen", sagt sie. "Aber wir wissen auch, dass Russland das einzige Land ist, das unsere Sicherheit garantieren kann."
Dennoch haben sich die Abchasen in der Vergangenheit auch dem großen Nachbarn Russland widersetzt. Bei der Präsidentenwahl im Jahr 2004 griff Russlands Präsident Wladimir Putin massiv in den Wahlkampf ein und drohte mit der Schließung der Grenzen. Die Abchasen wählten trotzdem nicht den Moskau-treuen Kandidaten.
Ein Hauch Sowjetnostalgie
Gegen Abend treffen sich die Bewohner Suchumis zu einem Spaziergang an der Promenade. Aus Cafés dröhnt russische Popmusik. In kleinen Gruppen flanieren Einheimische und Touristen entlang des Meeres. "Sowjetische Riviera" wurde der Küstenstreifen früher genannt - das beliebteste Urlaubsziel des Riesenreiches.
Stalin hatte in den Bergen hinter der Stadt seine Sommerresidenz, Touristen aus der ganzen Sowjetunion bevölkerten die Küste in der Urlaubsssaison. Mit Fährhafen und Pier ragen auch heute noch zwei Prunkbauten der sozialistischen Moderne ins Meer. Nur die Einschusslöcher stören die Nostalgie.
Autor: Mathias Bölinger
Redaktion: Nicole Scherschun