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Politik

US-Arzt fürchtet Sorglosigkeit bei Corona

15. Juli 2020

Kalifornien - einst Musterschüler der USA in der Corona-Krise - kämpft nun auch mit steigenden Infektionszahlen. "Wir sind nicht durch mit der Pandemie", warnt der Mediziner Chad Krilich aus Santa Rosa im DW-Gespräch.

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Bildergalerie USA Los Angeles | Coronavirus | Ärztin Zafia Anklesaria
Bild: Reuters/L. Nicholson

Deutsche Welle: Am Samstag haben die USA erstmals seit Beginn der Corona-Pandemie mehr als 66.000 Neuinfektionen an einem einzelnen Tag registriert. Auch Kalifornien ist mittlerweile stark betroffen. Trotzdem drängt US-Präsident Trump darauf, bald wieder zur Normalität zurück zu kehren. Ist das möglich? 

Dr. Chad Krilich: Wir sind nicht durch mit der Pandemie. Im Bundesstaat Kalifornien liegt die Infektionsrate bei 1,17 [das heißt eine Person mit Coronavirus steckt 1,17 andere Menschen an, die Red.]. Vor zwei Wochen lag die Rate bei 1,16, vor einem Monat bei 1,13 und vor zwei Monaten bei 0,99.

Also steigt die Infektionsrate wieder.

Richtig. Zu Beginn der Corona-Krise im Februar lag sie bei 2,49. Am 19. März wurde in Kalifornien die "shelter in place"-Order ausgesprochen [während der die Menschen zuhause bleiben sollten] und die Infektionsrate fiel unter den Wert 1. Das Virus verbreitete sich nicht mehr weiter. Um den 25. Mai und die Wiederöffnung herum konnten wir einen Anstieg beobachten. Die Rate ist nicht so hoch, wie sie im März war, aber die Daten deuten darauf hin, dass sich das Virus verbreitet.

Sehen Sie das auch in den Krankenhäusern, in denen Sie arbeiten?

Chad Krilich, Arzt in USA, Kalifornien
Allgemeinmediziner Chad KrilichBild: Santa Rosa Memorial

Ja. Die Krankenhausgruppe St. Joseph hat rund 50 Kliniken in westlichen Bundesstaaten wie Texas, Kalifornien, Washington, Oregon, Alaska und Montana. Wir haben definitiv den ursprünglichen Anstieg beobachtet - in Washington kam der erste Corona-Patient in den USA ins Krankenhaus. Dann haben wir an all diesen Orten einen Rückgang gesehen. Und jetzt gibt es wieder einen Anstieg an Krankenhaus-Einweisungen.

Inwiefern ist das etwas, das Ihnen Sorge bereitet?

Es ist auf jeden Fall etwas, das wir im Auge behalten müssen. Wir haben den Rückgang der Fallzahlen gesehen, und jetzt, wo sie wieder steigen, müssen wir sicherstellen, dass wir die Kapazitäten haben, unsere Patienten zu versorgen, dass unser medizinisches Personal genügend Schutzkleidung hat und dass wir mit Tests und Medikamenten ausgestattet sind.

Was ist Ihrer Meinung nach das Gefährlichste an dieser Pandemie?

Was mir am meisten Sorgen macht sind Menschen, die die Empfehlungen der Gesundheitsexperten nicht beachten. Das Ziel dieser Experten ist es, dafür zu sorgen, dass die Sterblichkeitsrate gering bleibt. Ich bin besorgt darüber, dass Leute keine Masken tragen und keinen Abstand halten.

USA Kalifornien Coronavirus überfüllte Strände
Volle Strände am Newport Beach in Südkalifornien Ende April: Die Gefahr des Coronavirus wird vielfach unterschützt Bild: picture-alliance/dpa/M. Schauer

Ein weiteres Problem ist die Auswirkung der Pandemie auf Krankheiten, die nichts mit dem Coronavirus zu tun haben. Es gibt Daten, die belegen, dass Patienten nicht zum Arzt oder ins Krankenhaus gehen. Sie zögern diese Besuche hinaus und das führt zu einem schlechteren Krankheitsverlauf. Außerdem sehen wir Hinweise darauf, dass Leute ihre chronischen Krankheiten nicht behandeln lassen, weil sie Angst haben, zu uns zu kommen und sich zuhause isolieren. Und wir beobachten weniger Krebs-Vorsorgeuntersuchungen.

Was wünschen Sie sich von Politikern in dieser Situation?

Das Beste, was wir tun können, ist auf die Zahlen zu schauen. Wir versuchen, Entscheidungen zu treffen, die auf den besten Daten basiert sind, die wir kriegen können. Ich gebe zu, dass es mitten in dieser Pandemie leicht ist, Entscheidungen zu fällen, die von anderen Dingen beeinflusst werden.

USA I Bethesda I Präsident Donald Trump I COVID-19
US-Präsident Trump nun doch mit Maske: Experten hoffen auf einen datenbasierten Umgang mit der Epidemie in der Politik Bild: picture-alliance/AP/P. Semansky

Aber wir im Gesundheitssektor wissen, dass datenbasierte Entscheidungen zu besseren Ergebnissen für unsere Patienten führen. Deswegen sollten Politiker, ob auf der Landkreis-, Bundesstaaten- oder nationalen Ebene, oder Organisationen wie die WHO, sicherstellen, dass die Empfehlungen, die sie verbreiten, wirklich auf wissenschaftlichen Fakten beruhen.

Mit Blick auf die Coronavirus-Zahlen, die wir jetzt haben. Wo wird die Reise hingehen?

Es wie ein Theaterstück mit drei Akten und wir sind aktuell im zweiten Akt. Es wird einen dritten Akt geben. Wenn wir uns anschauen, wann die Grippe kommt, wissen wir, dass uns eine dritte Welle erwartet. Natürlich wird all das davon beeinflusst werden, wie wir uns verhalten, ob es einen Impfstoff gegen das Virus geben wird, und lauter solche Sachen.

Wird es denn demnächst eine Impfung geben?

Ich glaube, das ist Wunschdenken. Es gibt viele Menschen, die großartige Arbeit leisten. Es geht voran, aber was ein genaues Datum angeht, wissen wir noch nichts. 

Dr. Chad Krilich ist leitender medizinischer Angestellter bei der St. Joseph Krankenhausgruppe im Landkreis Sonoma in Kalifornien, wo er an zwei Krankenhäusern arbeitet. Krilich ist außerdem seit mehr als zehn Jahren als Hausarzt tätig.

Das Gespräch führte Carla Bleiker. 

Carla Bleiker
Carla Bleiker Redakteurin, Channel Managerin und Reporterin mit Blick auf Wissenschaft und US-Politik.@cbleiker