Irakkrieg nicht zu gewinnen
21. Oktober 2006Das Weiße Haus hält sich noch bedeckt. Aber das Ziel eines vereinten, friedlichen, demokratischen und Amerikafreundlichen Irak scheint nicht mehr haltbar zu sein. Die Optionen, die Präsident George W. Bush bleiben sind jedoch allesamt nicht unproblematisch.
Der Oktober entwickelt sich für die US-Streitkräfte im Irak zum blutigsten Monat seit dem Einmarsch im Frühjahr 2003. 78 tote US-Soldaten lautet die bisherige Bilanz für diesen Monat. - Ungezählt sind die Zivilopfer. Allein am Samstag (21.10.) kamen bei einem Granatenanschlag auf einen Markt in der irakischen Stadt Mahmudijah südlich von Bagdad nach Polizeiangaben mindestens 18 Menschen ums Leben. Mehr als 50 weitere Personen wurden verletzt.
Am Donnerstag (19.10.) gestand ein Militär-Sprecher das Scheitern der Operation "Gemeinsam Vorwärts" ein, mit der irakische und amerikanische Sicherheitskräfte die Gewalt in der Hauptstadt Bagdad einzudämmen versucht hatten. Und am Freitag (20.10.) meldeten die Nachrichtenagenturen die vorübergehende Einnahme der südirakischen Stadt Amara durch die schiitischen Sadr-Milizen.
Ernüchterung macht sich breit
In Washington macht sich auch in Bushs Republikanischer Partei Ernüchterung breit. "Es läuft nicht so wie wir es gerne hätten. Also müssen wir neue Ideen entwickeln - dazu gibt es ja politische Führer", sagt die Senatorin für Texas, Kate Hutchinson.
Experten wie der frühere Berater der Bush-Regierung im US-Außenministerium Richard Haas fordern öffentlich einen Strategie-Wechsel: "Der Krieg im Irak ist nicht mehr zu gewinnen, wenn man dem Wort 'gewinnen' noch seine eigentliche Bedeutung zumessen will. Die USA müssen nun nach Wegen suchen, wie sich die Verluste und Kosten begrenzen lassen. In der Zwischenzeit muss man nach Wegen suchen, wie sich an anderen Orten der Region Fortschritte erzielen lassen und wie die negativen Konsequenzen aus der Irak-Situation eingedämmt werden können."
Irak-Kommission eingesetzt
Im Weißen Haus hat man eine Irak-Kommission eingesetzt, die James Baker, der frühere Außenminister unter George Bush Senior, leitet. Dem Vernehmen nach will sie nach den Kongress-Wahlen im November vorschlagen, bei einer Lösung des Irak-Problems stärker das regionale Umfeld, darunter auch die Nachbarstaaten Iran und Syrien und den palästinensisch-israelischen Konflikt mit einzubeziehen.
Senatorin Hutchinson macht sich für eine Aufteilung des Irak in einen kurdischen Norden, einen schiitischen Süden und ein sunnitisches Zentrum stark. Andere, wie Senator John McCain, der sich aller Voraussicht nach in zwei Jahren in der Republikanischen Partei um die Nachfolge Präsident Bushs bewerben wird, fordern die Entsendung von zusätzlichen Truppen. Doch die US-Armee ist jetzt schon an den Grenzen ihrer Kapazitäten angelangt.
Zeitweiligen Rückzug der US-Truppen ausgeschlossen
Wieder andere, vor allem in der Demokratischen Partei, wollen einen phasenweisen Rückzug der US-Truppen aus dem Irak, wogegen sich das Weiße Haus jedoch noch stemmt. "Nein, man zieht nur ab, wenn man gewinnt. Ein phasenweiser Abzug würde darauf hinauslaufen, dass man sagt, egal wie sich die Lage am Boden weiter entwickelt, wir machen uns vom Acker", sagte Bushs-Sprecher Tony Snow am Freitag (20.10.).
Doch das Beharrungsvermögen im Weißen Haus stößt zunehmend auf das Unverständnis angesehener Militär-Experten. "Man kann doch nicht Kurs halten, wenn sich die Dinge ständig verschlechtern", sagt Anthony Cordesman vom Zentrum für strategische Studien in Washington. "Wenn wir den Kurs nicht ändern, wird der Bürgerkrieg unkontrollierbar und wir verlieren alle Möglichkeiten, die Situation überhaupt noch zu beeinflussen."
Beobachter rechnen nicht damit, dass es vor den Kongress-Wahlen am 7. November zu Entscheidungen über einen Strategie-Wechsel in der US-Regierung kommen wird. Danach jedoch steht alles zur Disposition.