US-Präsident Biden warnt saudischen Kronprinzen
16. Juli 2022Das habe er dem Kronprinzen bei ihrem Treffen deutlich gemacht, sagte Präsident Joe Biden nach seinen Beratungen mit Mohammed bin Salman in der saudi-arabischen Hafenstadt Dschidda. Was mit dem saudischen Journalisten Jamal Khashoggi passiert ist, war "ungeheuerlich", sagte Biden. Er machte aber keine Angaben dazu, wie eine mögliche Antwort der USA auf weitere ähnliche Gewalt gegen saudische Regierungskritiker konkret aussehen würde. Der Mord an Khashoggi habe "an der Spitze" der Gesprächsthemen gestanden, sagte der US-Präsident vor der Presse.
Biden warf dem Kronprinzen nach eigenen Angaben bei dem Gespräch vor, persönlich Verantwortung für die Ermordung Khashoggis zu tragen. Bin Salman habe jedoch jede Verantwortung zurückgewiesen. "Er sagte im Grunde, dass er nicht persönlich dafür verantwortlich sei. Ich deutete an, dass ich glaube, er ist es", sagte Biden. Er habe das Thema direkt zu Beginn des Treffens mit der saudischen Führung "glasklar" angesprochen.
Balanceakt zwischen Menschenrechten, Sicherheits- und Wirtschaftsinteressen
Insgesamt zog der US-Präsident eine positive Bilanz seiner ersten Gespräche in Saudi-Arabien. Es seien bedeutende Fortschritte bei Sicherheits- und Wirtschaftsthemen erzielt worden.
Nach Einschätzung von Beobachtern dürfte sich Biden bei seinen Gesprächspartnern auch für eine Verbesserung der Beziehungen zwischen Saudi-Arabien und Israel einsetzen. Die beiden Länder gehören traditionell zu den engsten Verbündeten der USA in der Region, sind jedoch verfeindet. Sie eint ihre Einstellung zum Iran, dem Erzrivalen Saudi-Arabiens in der Region. Als erster US-Präsident flog Biden von Israel aus direkt nach Saudi-Arabien. Der Flug gilt als symbolisch für das Bestreben der Regierung in Washington, eine Normalisierung der Beziehungen zwischen Israel und Saudi-Arabien voranzutreiben. Saudi-Arabien weigert sich bisher, Israel offiziell anzuerkennen.
Bidens Reise nach Saudi-Arabien, zu einem der weltweit größten Ölproduzenten, ist nicht zuletzt auch den steigenden Spritpreisen in den USA geschuldet. Der US-Präsident steht innenpolitisch unter Druck, angesichts der hohen Energiepreise die Regierung in Riad zu einer Erhöhung der Erdöl-Fördermenge zu bewegen.
Faustgruß statt Handschlag
Der faktische Herrscher des Königreichs, Kronprinz bin Salman, hatte Biden am Freitagabend im königlichen Palast Al-Salam in der Küstenstadt Dschidda empfangen, wo Biden auch mit König Salman zusammenkam. Einen Handschlag mit dem Thronfolger gab es nicht, beide stießen nur kurz die Fäuste aneinander. Mit König Salman schüttelte der US-Präsident allerdings länger die Hände.
Die Sprecherin des Weißen Hauses, Karine Jean-Pierre, hatte zu Beginn von Bidens erster Nahost-Reise als US-Präsident verkündet, dieser wolle wegen Corona möglichst wenig Körperkontakt haben. Reporter spekulierten, Biden wolle vermeiden, dem Kronprinzen die Hand zu schütteln.
Nach dem Empfang kamen beide Delegationen zu einem Arbeitstreffen zusammen. An einem langen Konferenztisch im Palast saßen sich Biden und der Kronprinz gegenüber, umgeben von Ministern und weiteren Regierungsvertretern.
Der Besuch Bidens in Saudi-Arabien gilt insbesondere wegen des Khashoggi-Mordes als heikel. Der saudische Journalist hatte von den USA aus Meinungsbeiträge veröffentlicht, die den Kronprinzen kritisierten. 2018 wurde er im saudischen Konsulat in Istanbul von einem Killerkommando des saudi-arabischen Geheimdienstes brutal ermordet. US-Geheimdienste sehen den Kronprinzen - auch bekannt unter seinem Kürzel "MBS" - in der direkten Verantwortung. Vor seiner Wahl zum US-Präsidenten hatte Biden noch gesagt, er wolle Saudi-Arabien wegen des Mordes an Khashoggi international ächten lassen.
Biden muss deshalb seine Reise und das Treffen mit dem Kronprinzen seit Wochen gegen Kritik verteidigen. Er wurde dafür auch von Khashoggis einstiger Verlobter Hatice Cengiz scharf kritisiert. Auf Twitter schrieb sie an die Adresse des US-Präsidenten: "Das Blut von MBS nächsten Opfern klebt an Ihren Händen." Dazu sagte Biden: "Es tut mir leid, dass sie sich so fühlt".
qu/ack (afp, rtr, dpa)