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US-Schutzschirm sät Zwietracht

Martin Fritz (aus Tokio)20. Juli 2016

Mit Raketenrüstung hat Nordkorea die Stationierung eines US-Schutzschildes in Südkorea ausgelöst. Doch das Abwehrsystem hat in der Bevölkerung in Südkorea Sorge und Proteste ausgelöst. Martin Fritz aus Tokio.

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U-Boot-gestützter Raketentest in Nordkorea am 09.07.2016 (Foto: picture-alliance/dpa/Kcna)
Bild: picture-alliance/dpa/Kcna

Die Drohgebärden auf der koreanischen Halbinsel hören nicht auf. Nach eigener Darstellung hat Nordkorea jetzt nukleare Präventivschläge auf vom US-Militär benutzte Flughäfen in Südkorea geübt. Staatschef Kim Jong-un habe die Übung persönlich beaufsichtigt, meldete die staatliche Nachrichtenagentur KCNA. Die Aussage dürfte sich auf den Abschuss von drei ballistischen Raketen am Dienstag aus der Region Hwangju südlich der Hauptstadt Pjöngjang beziehen. Sie flogen 500 bis 600 Kilometer weit und landeten im Japanischen Meer, obwohl dem Regime solche Raketentests von den Vereinten Nationen untersagt sind.

Beobachter sehen die Schüsse als weitere Antwort auf die Entscheidung von Südkorea und den USA am 8. Juli, das Raketenabwehrsystem THAAD in Südkorea bis voraussichtlich Ende 2017 zu stationieren. Als Standort für die THAAD-Batterie wählte man die Region Seongju 300 Kilometer südlich der Hauptstadt Seoul - eine Antwort Südkoreas auf die zahlreichen Tests vor allem von Musudan-Mittelstreckenraketen durch Nordkorea in diesem Jahr.

US-Raketenabwehrsystem THAAD (Foto: Reuters)
US-Raketenabwehrsystem THAADBild: Reuters/U.S. Department of Defense/Missile Defense Agency

Nordkorea drohte darauf sofort mit Vergeltung. Bereits am 9. Juli wurde eine U-Boot-gestützte Rakete abgefeuert. Damit will die Führung in Pjöngjang demonstrieren, dass sie bald die Fähigkeit besitzt, US-Basen im Pazifik mit Atombomben anzugreifen.

Umstrittene Wirksamkeit

Das Raketenabwehrsystem "Terminal High Altitude Area Defense" - abgekürzt THAAD - soll nordkoreanische Raketen in der Endphase ihrer Parabelkurve in einer Höhe von 40 bis 150 Kilometern abfangen. Ein landgestütztes Radarsystem erkennt die angreifende Rakete und errechnet ihre Flugbahn. Dann wird ein Projektil abgefeuert, das die Rakete allein durch seine Bewegungsenergie zerstört. Eine 800 Millionen Dollar teure THAAD-Einheit besteht aus sechs mobilen Startrampen mit insgesamt 48 Raketen mit einer Reichweite von 200 Kilometern. Nach US-Angaben kann die Batterie von einer US-Militärbasis in den Bergen von Seongju daher die Hälfte bis zwei Drittel von Südkoreas Territoriums abdecken. Die Hauptstadt Seoul gehört nicht dazu. Sie liegt so nahe an der Grenze, dass angreifende Raketen schwer zu treffen sind.

Der Stationierungsbeschluss hat Südkorea gespalten. Umfragen zufolge ist die Hälfte der Bevölkerung dagegen. Experten zweifeln an der Wirksamkeit des Systems. Yoon Suk-joon vom Korea Institute for Maritime Strategy hält die Stationierung für gefährlich, weil das System wenig erprobt sei und gerade erst in den USA eingeführt werde. Yoon forderte einen seegestützten Schutzschild auf Basis der Aegis-Zerstörer und ihrer Abwehrraketen.

Kim Jong-un beim Raketentest im März 2016 (Foto: Reuters/KCNA)
Kim Jong-un beim Raketentest im März 2016Bild: Reuters/KCNA

Die Bewohner der Region Seongju, die für ihre Melonen bekannt ist, reagierten schockiert darauf, plötzlich an der Frontlinie des innerkoreanischen Konflikts zu stehen. Tausende Bürger gingen auf die Straße, Premierminister Hwang Kyo-ahn wurde in der vergangenen Woche bei einem Treffen mit Bürgervertretern mit Eiern beworfen.

Hoher politischer Preis

Trotz Protesten und Zweifeln bleiben die Regierungen in Seoul und Washington auf Kurs. "Südkorea wird entschlossen auf jede nordkoreanische Drohung gegen die Stationierung antworten", hieß es in Seoul. Der Sprecher des Verteidigungsministeriums gab die Parole der "Nulltoleranz" für verbale Angreife und andere Drohungen aus dem Norden aus. Auch die USA bekräftigten ihre Haltung. "Wir erfüllen unsere Verpflichtung, unseren Verbündeten gegen den außerordentlich unverantwortlichen Führer Kim Jong-un zu verteidigen", erklärte CIA-Direktor John Brennan. In die gleiche Kerbe hieb US-Armeegeneral Charles Jacoby, Ex-Kommandeur der US-Luftverteidigung NORAD. "Nichthandeln ist nicht möglich", betonte Jacoby. In Südkorea sind 28.500 US-Soldaten stationiert.

90 Prozent von Nordkoreas Außenhandel laufen mit China (Foto: MARK RALSTON/AFP/Getty Images)
90 Prozent von Nordkoreas Außenhandel laufen mit ChinaBild: MARK RALSTON/AFP/Getty Images

Doch der politische Preis für THAAD ist hoch. China und Russland sehen darin keine Abwehrwaffe gegen nordkoreanische Raketen, sondern interpretieren das System als Eindringen in ihre eigenen Sicherheitsbereiche. US-Beteuerungen, die Radarabwehr richte sich nicht gegen China und Russland, schenkt man keinen Glauben, hieß es in Peking und Moskau unisono. Die Präsidenten Xi Jinping und Wladimir Putin erklärten gemeinsam, das System verletze ihre Sicherheitsinteressen schwer. Peking nimmt den Schutzschild als Teil der Eindämmungsbemühungen der USA im Pazifik wahr. "China zieht einen Zusammenhang zwischen THAAD und dem Territorialkonflikt um Inseln im südchinesischen Meer", erklärte Ostasien-Experten Adam Cathcart von der Universität Leeds.

Der Streit zwischen China, Russland, den USA und Südkorea wird Pjöngjang erfreuen. Damit hat man erfolgreich Keile in die gemeinsame Front seiner Gegner getrieben. Nach dem Atomtest im Januar und dem Satellitenstart im Februar hatte sich im UN-Sicherheitsrat eine breite Koalition für eine Verschärfung der Sanktionen gegen Nordkorea gebildet. Dabei zeigte China erstmals große Bereitschaft, diese Sanktionen auch durchzusetzen. Das ist entscheidend für die Wirksamkeit der Strafen, weil 90 Prozent von Nordkoreas Handel mit China laufen. Wegen des THAAD-Streits mit Washington könnte Peking nun den Handel mit dem Norden weniger scharf kontrollieren. "Nordkorea hat die Risse in der Sanktionsallianz und die Spannungen zwischen den Spielern erkannt", kommentierte Cathcart die Entwicklung.