USA reagieren zurückhaltend auf Krise in Ägypten
5. Juli 2013Vor mehr als zwei Jahren befürwortete US-Präsident Barack Obama den Sturz des Autokraten Husni Mubarak. Nun stürzt das ägyptische Militär Mohammed Mursi, den ersten demokratisch gewählten Präsidenten des Landes, und Washington hält sich bedeckt.
In einer sorgfältig formulierten Erklärung forderte Obama eine rasche Rückkehr zu demokratischen Strukturen. Gleichzeitig wirkte es so, als unterstütze er stillschweigend die Demonstranten, die seit Tagen auf den Straßen und Plätzen in ägyptischen Städten den Rücktritt der islamistisch geprägten Regierung forderten.
Friedliche Beilegung gefordert
"Kein Wechsel zur Demokratie verläuft ohne Schwierigkeiten, aber am Ende muss er dem Willen des Volkes entsprechen", so der US-Präsident in einer am Mittwoch (03. Juli 2013) verbreiteten Presseerklärung. "Was die Bürger in Ägypten wollen und verdienen, ist eine ehrliche, kompetente und repräsentative Regierung."
Die Sprecherin des US-Außenministeriums, Jen Psaki, betonte zwar am Mittwoch (03. Juli 2013) gegenüber Journalisten, die USA "ergreife keine Partei" in der jüngsten politischen Krise in Ägypten. Trotzdem erklärte sie kritisch, Präsident Mursi habe keine Schritte unternommen, sich um die Anliegen der Opposition zu kümmern.
Es handele sich um einen Konflikt der Werte und Interessen, erklärt Tarek Radwan, Ägypten-Experte des Atlantic Council, im Gespräch mit der DW. "Natürlich ist US-Werten zufolge eine stabile Demokratie auf lange Sicht eine gute Sache." Doch im Hinblick auf die Interessen der USA sei ein Militärputsch in diesem konkreten Fall positiv, so Radwan.
Grünes Licht aus Washington
Die USA habe Mursi eine Abmachung angeboten, meint Khalil al-Anani, Ägypten-Experte an der Universität von Durham: Mursi hätte als rein symbolische Figur im Präsidentenamt bleiben sollen, während die Macht an einen von der Opposition bestimmten Premierminister gegangen wäre. Teil der Abmachung sei auch gewesen, dass die islamistisch geprägte Verfassung außer Kraft gesetzt werde. Als Mursi das Angebot mit der Begründung, er sei der demokratisch gewählte Führer Ägyptens, ablehnte, wurde er vom Militär entmachtet, so Experte al-Anani.
Ein Berater des abgesetzten Präsidenten habe ihm berichtet, dass die USA Mursi einen Ausweg angeboten hätten. "Als er ihn ablehnte, gaben sie dem Militär grünes Licht für den Putsch", meint Al-Anani.
Mursis Verhältnis zu den USA war schon seit dem Beginn seiner Präsidentschaft im Juni 2012 schwierig. Der islamistische Politiker galt schon damals als Gegner Israels. Das wiederum warf in Washington die Frage auf, ob der ägyptische Präsident versuchen würde, den Friedensvertrag mit Israel zu untergraben. Er versicherte, dass er die internationalen Verpflichtungen seines Landes erfüllen werde. Als wenig später, im September 2012, Demonstranten die US-Botschaft in Kairo stürmten, machte Präsident Obama eine Bemerkung, die den wirklichen Stand der Beziehungen zu Kairo verdeutlichte: "Ich glaube nicht, dass wir sie als Verbündete sehen, aber wir sehen sie auch nicht als Feinde", sagte Obama dem spanischsprachigen Sender Telemundo.
Die Amerikaner seien nicht glücklich mit Mursi gewesen, aber sie hätten keine Wahl gehabt, als ihn "als den legitimen Präsidenten zu akzeptieren", erklärt al-Anani im DW-Gespräch. "Bei der allerersten Gelegenheit, die sich bot, sind sie ihn dann losgeworden."
Einer der größten Empfänger von US-Militärhilfe
Die USA unterstützen Ägypten jährlich mit Zahlungen von 1,5 Milliarden US-Dollar. Als Reaktion auf den Sturz Mursis erklärte Präsident Obama, diese Militärhilfe werde nun überprüft. Dabei vermied er es, die Intervention des Militärs als Putsch zu bezeichnen. Das habe er getan, um die Militärhilfe aufrecht zu erhalten, meint Radwan. "Abgesehen von den engen Beziehungen zwischen den Armeen auf beiden Seiten erkaufen sich die Vereinigten Staaten natürlich mit der Finanzhilfe Privilegien. Im Grunde genommen subventioniert man damit die Rüstungsindustrie." Daher gebe es wirtschaftliche Interessen daran, dass diese Finanzhilfen weiterhin an Ägypten gezahlt werden.
Patrick Leahy, Vorsitzender des Justizausschusses im US-Senat, entgegnet, dass die Gesetzgebung in diesem Bereich aber eindeutig sei: "Die Finanzhilfe wird ausgesetzt, wenn eine demokratisch gewählte Regierung durch einen Militärputsch oder ein Dekret abgesetzt wird", so Leahy.
Laut Radwan wurde die letzte Rate der Militärhilfe im Mai gezahlt. Selbst wenn Washington die finanzielle Hilfe an Kairo einstellt, hätte das nur geringe Auswirkungen auf das dortige Militär. Die ägyptische Armee hätte genug Zeit für die Machtübergabe an eine demokratisch gewählte Regierung, bevor die Bereitstellung von Fördermitteln im nächsten Jahr wieder diskutiert wird.
Gefährlich sei aber, dass sowohl das amerikanische als auch das ägyptische Militär riskieren, nicht nur die Muslimbruderschaft, sondern die Islamisten allgemein in Ägypten vor den Kopf zu stoßen, meint Al-Anani: Das könne Extremismus begünstigen.
"Für Al-Kaida ist es eine gute Gelegenheit, aus der Situation in Ägypten Kapital zu schlagen und viele junge Islamisten zu rekrutieren, denn sie argumentieren ja, Demokratie sei nicht gut für sie", warnt al-Anani. Al-Kaida sei der Meinung, eine demokratisch gewählte, islamistische Regierung würde nicht vom Westen unterstützt und nun "hat sich aus deren Sicht genau das bestätigt", so der Ägypten-Experte.