Vandana Shiva, Aktivistin, Philosophin
9. Dezember 2015Vandana Shiva ist nicht nur eine der wichtigsten Ökofeministinnen der Welt, sondern für viele Umweltschützer eine philosophisch-spirituelle Instanz. Von einer Traube hektischer Assistenten, Journalisten und Fans umringt, kommt sie am Konferenzzentrum an, die einen zerren nach links, die anderen nach rechts. Sie lächelt. Endlich im Saal, diskutiert sie mit jungen Aktivisten über den drohenden Untergang der Welt - und lächelt. Eine junge Aktivistin bricht in Tränen aus, aus lauter Frustration, dass "die da drüben" in den Verhandlungsräumen, wo keine Aktivisten, sondern nur Delegierte Zutritt haben, "die Realität nicht sehen und nichts tun." Vandana Shiva lächelt weiter:"Die Lösung ist nicht, dass wir daran verzweifeln." Weitermachen, aber ohne Verzweiflung, Angst, Frustration, sondern mit einem "offenen Herzen", das ist ihre Nachricht.
Die Ökofeministin ist Trägerin des „Right Livelihood Award“, dem alternativen Nobelpreis, Mitglied im Club of Rome. Außerdem: promovierte Quantenphysikerin und Saatgutschützerin, die in Indien Alternativen zu gentechnisch verändertem, patentierten Monsanto-Saatgut etabliert. Das Klimaproblem, sagt Vandana Shiva, sei auch ein Machtproblem, denn die mächtigeren Länder, die den Klimawandel verursacht hätten, wollten dafür keine Verantwortung übernehmen. Was ist ihre Nachricht an die Politiker, die nebenan in der abgeriegelten „Blue Zone“ diskutieren?
Shiva wuchs im indischen Himalaya auf. Mit ihrem Vater, einem Forstwirt, streifte sie viel durch das Gebirge. Wie beeinflusst der Klimawandel ihre Heimat? "Es gibt intensive Regenfälle, Überflutungen. In 2013 wurden 20.000 Menschen in meiner Heimatregion einfach weggewaschen. Und unsere Gletscher schmelzen. Der Gangotri-Gletscher, aus dem der Ganges entspringt, schrumpft 23 Meter pro Jahr. Beständige Flüsse wie der Ganges, die die indische Zivilisation und Landwirtschaft für Zehntausend Jahre unterstützt haben, werden in der absehbaren Zukunft zu saisonalen Flüssen. Das bedeutet den Tod einer Zivilisation." Shiva meint: Jetzt steht alles auf dem Spiel.
Was gibt ihr die Motivation, immer weiterzumachen? "Wenn du mit der Erde arbeitest, Samen pflanzst, das gibt dir viel Hoffnung. Denn aus einem Samen werden Tausende. Und die Erde gibt uns so viel mehr, als wir ihr geben. Diese Arbeit ist wie ein Jungbrunnen. Und ich fokussiere mich nicht auf die Zerstörung, sondern auf konstruktive Aktionen, Solidarität und Menschen." Die COP21 drehe sich um Menschen, ganz normale Bürger. An die Verhandlungsräume gerichtet, sagt sie: "Da findet eine Show statt. Aber das, was in Zukunft entscheidend sein wird, ist das hier, denn hier gibt es Engagement." Und das gebe ihr Hoffnung.