Varoufakis Washington
17. April 2015Fliegender Wechsel im größten Auditorium des einflussreichen Thinktanks "Brookings" in Washington. Eben saß noch Wolfgang Schäuble auf der Bühne. Bescheiden, mit verschmitztem Lächeln und schwäbischem Englisch sprach er kurz von den wirtschaftlichen Erfolgen Deutschlands, von den Steuermehreinnahmen, von dem stärker werdenden Wachstum; der Raum ist zwar gut gefüllt. Mehrere Sitzplätze bleiben aber leer.
Kaum hat Schäuble den Saal verlassen, wird um jeden einzelnen Sitzplatz gekämpft. Denn die bevorstehende Rede des griechischen Finanzministers wollen mehr als doppelt so viele Menschen verfolgen, wie in der Halle Platz finden. Viele sind Griechen. Frenetisch begrüßen sie Yanis Varoufakis. Mit wippendem Gang, offenem Hemd und breitem Lächeln betritt der gut aussehende Mann die Bühne.
Kurz zuvor haben die Veranstalter auf der Rückwand der Bühne den "Hashtag" - eine Art Schlagwort bei den sozialen Medien - ausgewechselt. Brookings gab der Schäuble-Veranstaltung den Hashtag #EuropeFuture. Bei Varoufakis lautete er nur noch #Greece economy. Einem Zuhörer in den hinteren Reihen fällt der Wechsel des Hashtags auf: "Offenbar glaubt hier niemand, dass Griechenland in der Eurozone eine Zukunft hat." Auch einige Griechen im Raum empören sich über die Instinktlosigkeit bei Brookings.
Griechenland mag pleite sein, referiert Varoufakis mit sonorer Stimme. Das Selbstbewusstsein des Finanzministers hat darunter nicht gelitten. Er spricht von Prinzipien. Etwa dem, dass eine neue Regierung für die alten Schulden grade zu stehen hat; oder dem Prinzip der Demokratie. Was passiert, wenn sich beide Prinzipien gegenseitig ausschließen, fragt er? Das griechische Volk habe eine neue Regierung gewählt, und lehnt damit die bislang angehäuften Schulden ab.
Inzwischen wächst die Ungeduld bei einem der Moderatoren. Offenbar hat er erwartet, dass der Redner konkrete Hinweise darauf gibt, wie er Griechenlands Schulden in den Griff bekommen will. Stattdessen räsoniert der Minister weiter: "Das Ergebnis von Griechenlands Verhandlungen mit dem IWF, der Europäischen Zentralbank, der Europäischen Kommission, unseren europäischen Partnern, wird Folgendes wesentlich mitbestimmen: Unterstützt oder verhindert Europa die Bemühungen der Welt und der USA, die Finanzkrise von 2008 hinter sich zu lassen."
Vielleicht sind es diese wolkigen Formulierungen, die die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde so ungeduldig macht. Zehn Gehminuten von Brookings entfernt stellt sie sich den Fragen der Weltpresse, auch zum Thema Griechenland. Eine Stundung der griechischen Kreditrückzahlungen lehnt sie kategorisch ab. Sie legt Stahl in ihre Stimme: In den vergangenen 30 Jahren habe noch nie ein wirtschaftlich entwickeltes Land um eine Aufschiebung der Rückzahlungen gebeten. Dabei ist ihr Gesicht so ernst, als ob sie sagen wollte: "Das wird es mit mir auch in Zukunft nicht geben." Lagarde zeigt Mitleid mit den Ärmsten in Afrika, Asien oder in Lateinamerika, weniger mit Griechenland. Varoufakis hat sie erst vor kurzem gesehen. Anschließend hat er eilig versprochen: Griechenland werde seine IWF-Schulden pünktlich bezahlen.
Varoufakis Auftritt bei "Brookings" lässt viele Zuhörer ratlos zurück. Mal verspricht er kompromissbereit zu sein, mal nicht. Mal will er die Kredite bedienen, dann windet er sich. Mal ist er zuversichtlich, dass man sich mit den Gläubigern einigen werde, dann verfällt er in Pessimismus. Ob Varoufakis wirklich weiß, wie Griechenlands aus der Krise geführt werden kann?
Nachdem der Minister und das Auditorium den Raum verlassen haben, öffnet ein Bediensteter die Türen des Saals und murmelt: "Die heiße Luft muss hier raus."