Venedig testet neuen Flutschutz
10. Juli 2020Es ist eines der meistgehassten und zugleich eines der meist-herbeigesehnten Projekte in Venedig. Es soll die UNESCO-Stadt künftig vor Hochwasser schützen: Eine skandalumwobene Flutschutzanlage feiert nun Premiere. Doch die Angst vor einem Flop ist groß.
An diesem Freitag wurde das Projekt erstmals komplett getestet und fast 80 mobile Flutschutzbarrieren wurden an drei Laguneneingängen ausgefahren. Es ist ein symbolischer Moment für Venedig. Entsprechend groß war das Aufgebot an Politikern. Selbst Regierungschef Giuseppe Conte kam, um den Test im Kontrollraum zu eröffnen.
Von außen sieht die Anlage ziemlich unspektakulär aus. In einem Koloss aus grauem Beton ist der Kontrollraum auf einer Insel in der Nähe vom Lido untergebracht. In einem etwa 400 Meter langen Gang verlaufen Edelstahlrohre und Schläuche. Druckluft soll bei Flut die Barrieren aus dem Wasser heben, die dann Adria-Wasser aus der Lagune fernhalten und so Venedig schützen sollen.
Rund sechs Milliarden Euro soll das kosten - viele befürchten mehr. Seit Jahrzehnten laufen die Planungen, vor etwa 17 Jahren gab es den ersten Spatenstich. Doch Korruption, Bürokratie, fehlende Entscheidungen, politische und wirtschaftliche Eigeninteressen sind eine Mischung, die "Mose" wie so viele andere Großbauprojekte in Italien ins schier Unendliche herauszögert haben. "Es ist richtig, Zweifel zu haben", sagte Conte. Nun sollten aber alle auf das Ziel hinarbeiten, das Projekt endlich zu beenden und zu einem Erfolg zu führen.
Angst vor einem Flopp
Venedigs Bürgermeister Luigi Brugnaro hält "Mose" für eine großartige "Errungenschaft" und für das Symbol von italienischem "Einfallsreichtum". Doch auch er weiß, wie heikel das Projekt ist. Zuletzt hatten Tests technische Schwierigkeiten offenbart, weil Sand die Funktion der Barrieren beeinträchtigt hatte. Die Angst vor einem Flop ist also nicht unberechtigt.
Es gibt genügend Gegner der Flutschutzanlage in Venedig. Mose "wird die Lagune töten, es wird dieses einzigartige und empfindliche Ökosystem zerstören", erklärte beispielsweise das Bündnis No Grandi Navi, das sich auch gegen die Kreuzfahrtschiffe in der Lagune einsetzt.
Dass Venedig einen Hochwasserschutz braucht, hat zuletzt die Flut im letzten Herbst deutlich gemacht. Am 12. November des vergangenen Jahres stieg das Wasser auf 187 Zentimeter über Normalnull und überflutete den größten Teil der Altstadt, zerstörte Kulturmonumente, Museen, Archive und verschreckte Touristen, von denen Venedig lebt. Es war ein Weckruf an alle und es machte deutlich, wie gefährdet die wohl schönste Stadt der Welt ist.
hf/haz (dpa, afp, rtr)