Venezuela: Ausgeplündert mit System
6. August 2018Wenn es um die Gründe für die schwere Wirtschafts- und Versorgungskrise im erdölreichen Venezuela geht, spielen - neben der Politik der Regierung - auch Korruption und Kapitalabfluss in Milliardenhöhe eine wichtige Rolle.
In den vergangenen Tagen nun hat das US-Justizministerium einen gewaltigen Geldwäsche-Skandal rund um Venezuelas staatlichen Erdölkonzern Petróleos de Venezuela S.A. (PdVSA) öffentlich gemacht.
Eine Gruppe venezolanischer Ex-Funktionäre soll zusammen mit Unternehmern anderer Nationalitäten PdVSA-Gelder in Höhe von 1,2 Milliarden US-Dollar in Florida gewaschen haben. Der Fall ist ein Paradebeispiel, wie der venezolanische Staat systematisch ausgeplündert wurde.
Die internationale "Geldwäsche-Verschwörung" begann laut US-Behörden vor rund vier Jahren. Über das venezolanische Wechselkurssystem wurden systematisch Millionenbeträge außer Landes geschafft und über Immobilienkäufe in Miami mit Hilfe europäischer und US-amerikanischer Banken gewaschen.
100 Millionen für 10 Millionen
Mit Bestechung und Betrug zweigten die Beteiligten rund 600 Millionen US-Dollar an PdVSA-Geldern ab, später erhöhte sich der Betrag um das Doppelte. Möglich war dies aufgrund des widersprüchlichen und verwirrenden Wechselkursregimes Venezuelas.
So erlaubt die Regierung in Caracas bestimmten Funktionären, US-Dollar zu einem von der Regierung festgesetzten Präferenzkurs zu wechseln; darüber hinaus gibt es einen staatlich festgesetzten Wechselkurs sowie einen Schwarzmarktkurs.
Die US-Ermittler verweisen darauf, dass die Differenz zwischen Schwarzmarkt- und offiziellem Kurs 2014 rund 10:1 betrug. "Im Wesentlichen könnte in zwei Transaktionen [eine] Person 100 Millionen US-Dollar für 10 Millionen US-Dollar kaufen", heißt es.
Im Mittelpunkt der Anschuldigungen steht Derwick Associates, ein venezolanisches Unternehmen, das sich auf den Bau von Anlagen zur Stromerzeugung spezialisiert hat. Der venezolanische Generalstaatsanwalt Tarek William Saab erwähnte Derwick Associates im vergangenen Jahr im Zusammenhang mit Korruptionsuntersuchungen bei der Vergabe von Aufträgen im Orinoco-Delta.
Die beiden Investmentfirmen Global Security Advisors und Global Strategic Investments sollen sich schließlich um das Waschen der Gelder gekümmert haben. Das sei über fiktive Investmentfonds und Immobilienkäufe in Miami geschehen.
Ein Deutscher in Panama
In Gang gesetzt wurden die Ermittlungen vor zwei Jahren, als sich einer der an dem Geldwäsche-Plan Beteiligten den US-Behörden als Informant zur Verfügung stellte. In der vergangenen Woche gab es zwei Festnahmen im Zusammenhang mit dem Fall; vier Venezolaner, ein Portugiese und ein Uruguayer wurden zudem von den US-Behörden zur Fahndung ausgeschrieben.
Zum Teil soll es sich um ehemalige Funktionäre der venezolanischen Regierung sowie des Ölkonzerns PdVSA handeln. Sie werden von der US-Justiz als "Boliburguéses" bezeichnet, Mitglieder der venezolanischen Elite, die über politische oder geschäftliche Verbindungen zum Chavismus schnell zu Reichtum gelangt sind.
Als Chavismus wird die politische Ideologie des 2013 verstorbenen venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez bezeichnet, die auf Sozialismus, Feminismus und Patriotismus abzielte.
Am 24. Juli nahmen die US-Behörden in Miami Matthias Krull fest, der früher in führender Position für die Schweizer Privatbank Julius Bär in Panama tätig war. Dieser soll in den Fall verwickelt sein. Sabine Jaenecke, Sprecherin der Bank Julius Bär, sagte gegenüber der DW, man habe Kenntnis genommen von den Vorwürfen gegen Matthias Krull. "Herr Krull arbeitet nicht mehr für Julius Bär. Wir kooperieren vollumfänglich mit den Behörden, können laufende Verfahren aber nicht weiter kommentieren."
Der in Deutschland geborene 44-jährige Krull, zuvor bei der Credit Suisse und der UBS tätig, lebte lange in Caracas, wo er über hervorragende Beziehungen bis in höchste Kreise verfügte, auch zu "politisch exponierten Personen" (PEPs), wie es heißt.
Nicht der erste Skandal für Julius Bär
Später zog Krull aus Sicherheitsgründen nach Panama, betreute von dort aus aber weiter venezolanische Kunden und sorgte für hohe Geldzuflüsse bei Julius Bär. Kürzlich hat Krull die Bank verlassen. Krull sollte Ende des Jahres zur Bank Gonet & Cie in die Niederlassung auf den Bahamas wechseln. Laut Pascal Pupet, Sprecher der Genfer Privatbank, ist "angesichts der Tatsachen, die a priori nachgewiesen sind, dies jedoch nicht mehr relevant." Mit dem PdVSA-Fall habe die Bank nichts zu tun, so Pupet in einer Stellungnahme gegenüber der DW.
Die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht Finma führt seit einiger Zeit ein sogenanntes Durchsetzungsverfahren gegen die Bank Julius Bär. Ein solches Verfahren wird bei Auffälligkeiten oder Hinweisen auf Verstöße gegen das Aufsichtsrecht eröffnet. Die Bank soll rund um die PdVSA-Affäre bei der Aufnahme und Betreuung von Kunden nicht sorgfältig genug vorgegangen sein.
Der Name der in Zürich ansässigen Privatbank ist heute mit mehreren Korruptionsvorgängen und möglichen Geldwäscheangelegenheiten verbunden - bei der Fußball-Organisation FIFA, den brasilianischen Konzernen Petrobras und Odebrecht und jetzt auch bei PdVSA. Sollten sich die Vorwürfe gegen Krull bestätigen, könnte das zu einem ernsten Problem für das Schweizer Geldinstitut werden.