Verfallene Pracht
11. August 2009Vor sechs Jahren hat er hier ein verfallenes Holzhaus gekauft, in der Ayrancı Gasse, mitten in der Altstadt von Istanbul. Damals war Ali Kurultay erst 24 Jahre alt - als Architekt restaurierte er es zwei Jahre lang, um die erforderliche Wohngenehmigung zu bekommen. Der junge Türke ist gebürtiger Istanbuler, spricht fließend deutsch, er war auf dem deutschen Gymnasium. „Hier ist noch nicht so ganz angekommen, was Denkmalschutz heißt“, sagt er. Kurultay bedauert, dass so viele Häuser des Viertels abgerissen wurden. Er ist einer von vielen jungen Türken, die sich in den osmanischen Stil der Jahrhundertwende verliebt haben.
Die meisten Holzbauten sind verfallen
Dass diese Holzhäuser etwas besonders sind, hat nicht nur die UNESCO bereits 1985 entdeckt und die Istanbuler Altstadt, in der sie stehen, zum Weltkulturerbe ernannt. Auch die Außenstelle des Deutschen Archäologischen Instituts am Taksim-Platz auf der anderen Seite der Stadt dokumentiert seit Jahrzehnten den Istanbuler Holzhaus-Bestand. Ihre Arbeit war die Grundlage für eine aufwendige Restaurierung des Ahmet Paşa-Palastes vor dreißig Jahren. Die meisten anderen Holzbauten aber verfielen, wurden abgerissen oder fielen verheerenden Großbränden zum Opfer. Wie durch ein Wunder hat eine kleine Zahl all dies unbeschadet überstanden.
Ein fast vergessenes Handwerk
Seit einem guten Jahr beherbergt der ornamentale Ahmet Paşa-Palast eine Art Kompetenzzentrum für die Restaurierung alter Holzhäuser – "kudeb" genannt. Die Behörde, die ausschließlich von der Stadtverwaltung Istanbuls finanziert wird, arbeitet mit der UNESCO zusammen und unterstützt die zum Weltkulturerbe zählenden Stadtviertel Süleymaniye und Zeyrek. Demet Sürücü, eine 28jährige Mitarbeiterin von "kudeb" kümmert sich um die Ausbildung junger Restauratoren, die das fast vergessene Handwerk osmanischer Schreiner neu erlernen - beispielsweise, wie man ein "kafes", ein bauchförmiges Erkerfenster aus Holz, zimmert.
Kulturhauptstadt als Initialzündung
Sie alle – der Architekt Ali Kurultay, die Mitarbeiter des Deutschen Archäologischen Instituts und von „kudeb“ – sie helfen die Holzhäuser am Leben zu halten. Das ist nicht genug, findet die UNESCO. Schon drei Mal hat sie der Stadt gedroht, ihr den Weltkulturerbe-Titel zu entziehen. Die UNESCO beklagte, dass eine Vielzahl der ehemals etwa 200 historischen Gebäude im Umfeld der prächtigen Sülemaniye Moschee abgerissen wurden. Bislang hat "kudeb" erst sechs Häuser gerettet, rund dreißig sollen es bis 2010 noch werden – sie sind das Vorzeigeprojekt für den Titel Istanbuls im kommenden Jahr als "Kulturhauptstadt Europas“. Demet Sürücü bestätigt, dass die Zahl von Restaurierungen angesichts dessen, was an Baubestand noch existiert, gering ist. Jahrelang sei nur geredet, aber nichts getan worden. "Das muss man jetzt als Initialzündung verstehen. Wir wollen in Zukunft noch mehr restaurieren und wieder aufbauen“, sagt die 28-jährige Bauingenieurin. Ein optimistischer Blick in die Zukunft der zukünftigen Kulturhauptstadt Istanbul.
Autorin: Claudia Hennen
Redaktion: Elena Singer