Verfolgung der Baha'i
13. Juli 2009DW-WORLD.DE: Wie erklären sie sich, dass das Verfahren gegen die sieben führenden Mitglieder der Baha'i noch nicht eröffnet wurde?
Ingo Hofmann: Das ist ein reiner Akt der Willkür gegen die sieben Verhafteten und gegen die gesamte Baha'i Gemeinde im Iran. Diese Gemeinde ist die größte religiöse Minderheit mit über 300.000 Angehörigen im Iran. Dieser Willkürakt wird vom iranischen Justizapparat seit über einem Jahr praktiziert. Und letztlich wissen wir natürlich, dass die Baha'i Frage eine Angelegenheit der iranischen Staatsführung ist und eine Strategie dahinter steckt.
Das ist also kein Einzelfall?
Wir stellen seit Jahren fest, dass, seit die Regierung von Ahmadinedschad an der Macht ist, die Baha'i in einem ungewöhnlich großen Maß Willkürakten auf allen Ebenen ausgesetzt sind. Und was mit der Führung der Baha'i vor einem Jahr passierte, ist die Spitze des Eisbergs. Im Übrigen ist ja die willkürliche Abhandlung von Menschenrechtsfällen im Iran keine Neuigkeit, das wird ja vom System seit langem so praktiziert.
Welche Strafe droht denn den Baha'i Mitgliedern im Falle einer Verurteilung?
Eine formelle Anklage blieb bisher aus. Es wurde aber immer wieder vom obersten Strafverfolger verkündet, dass den sieben Verhafteten regimefeindliche Tätigkeit, Verunglimpfung des Islam und Spionage für Israel vorgeworfen wird. Und der Katalog der Strafmaßnahmen reicht hier bis zur Todesstrafe.
Womit haben die Baha'i im Iran täglich zu kämpfen?
Die Jugend im Iran wird zum Beispiel systematisch von Universitäten ferngehalten. Wenn ein Baha'i-Student als Baha'i identifiziert wird, wird er sofort der Universität verwiesen. Man will den Baha'i einen persönlichen Fortschritt in der Gesellschaft verwehren. Es betrifft auch Menschen die im Berufsleben sind, die mit Systematik aus ganz bestimmten Berufen vertrieben werden. Alten Menschen werden die Pensionsbezüge vorenthalten. Und es kam auch schon zu Vandalimus auf Friedhöfen. Im Grunde ist niemand ausgeschlossen. Den Baha'i wird in der iranischen Gesellschaft kein Raum gewährt, um einem normalem Leben nachzugehen.
Die Baha'i sind die größte religiöse Minderheit. Sind sie stärker gefährdet als andere Minderheiten?
Man muss hier einen Schritt zurückgehen und in die iranische Verfassung schauen, die den Christen, Zarathustriern und Juden einen eigenen Status gewährt, der ja sogar zum Teil auch im Koran vorgesehen ist. Die Baha'i sind aus der Verfassung ausgeklammert worden und damit ist also die iranische Verfassung ein Freibrief für die Verfolgung der Baha'i.
Warum wurden sie ausgegliedert?
Die Führung des Iran versucht seit Mitte des 19. Jahrhunderts die Baha'i-Bewegung, wie sie genannt wurde, als eine rein politische Bewegung abzutun und zu verneinen, dass es sich um eine Religionsstiftung handelt, was in der Tat der Fall ist. Man hat also von Anfang an versucht das Ansehen der Baha'is in der iranischen Öffentlichkeit als Spione abzutun. Auch um abzulenken von der Tatsache, dass die Baha'i Lehren auch eine Herausforderung sind. Der Stifter der Baha'i Religion, Baha'u'llah, forderte im 19. Jahrhundert bereits die Gleichberechtigung von Männer und Frauen. Die Baha'i Frauen waren die ersten die den Schleier ablegten, was ein Skandal in der iranischen Gesellschaft war. Die Forderung nach demokratischen Grundstrukturen - das ist ein Element, nach dem alle Baha'i- Gemeinschaften weltweit funktionieren. Die Baha'i glauben, dass alle Religionen von Gott kommen und, dass es keine erste und keine letzte gibt. Und genau da ist die theologische Schnittstelle, an der die Verfolgung beginnt. Die offizielle schiitische Lesart ist, dass nach Mohammed nichts mehr kam und der Koran das letzte öffentliche Buch sei. Und die Baha'i sagen, dass göttliche Offenbarung immer dann kommt, wenn es für die Menschen notwendig ist. Wir glauben einfach, dass Religion dynamisch weiter geht, und das stößt auf große Ablehnung.
Prof. Dr. Ingo Hofmann ist Sprecher der Baha'i Gemeinde Deutschland.Das Gespräch führte Anne Allmeling
Redaktion: Diana Hodali