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Präsidentenwahl muss wiederholt werden

1. Juli 2016

Der Krimi zur Präsidentenwahl in Österreich geht in die nächste Runde. Der Verfassungsgerichtshof hat die Stichwahl wegen Unregelmäßigkeiten gekippt. Damit gab das Gericht der Anfechtung durch die rechte FPÖ statt.

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Verfassungsgerichtshof (Foto: picture-alliance/dpa/L. Niesner)
Der Verfassungsgerichtshof bei seiner UrteilsverkündungBild: picture-alliance/dpa/L. Niesner

Mit großer Spannung war das Urteil erwartet worden. Nun ist klar: Die Stichwahl muss wiederholt werden. "Die Entscheidung macht niemanden zu einem Verlierer oder Gewinner", sagte der Präsident des Verfassungsgerichtshofs, Gerhart Holzinger, in der öffentlich verkündeten Begründung. Das Urteil diene dazu, das Vertrauen in den Rechtsstaat und die Demokratie zu stärken.

150-seitige Anfechtungsklage

Die rechtspopulistische FPÖ hatte die Wahl nach der knappen Niederlage ihres Kandidaten Norbert Hofer wegen zahlreicher Unregelmäßigkeiten in Bezirkswahlbehörden angefochten. Am 22. Mai hatte der unabhängige Kandidat und frühere Grünen-Chef Alexander Van der Bellen die Stichwahl mit nur 31.000 Stimmen Vorsprung (50,3 Prozent) vor Hofer (49,7 Prozent) für sich entschieden. Ausschlaggebend waren die rund 740.000 gültigen Briefwahlstimmen.

Die FPÖ brachte anschließend eine gut 150 Seiten umfassende Anfechtungsklage ein. Unter anderem soll es Fehler bei der Auszählung der Briefwahlstimmen gegeben haben. Das Gericht hatte in den vergangenen zwei Wochen mehr als 60 Zeugen befragt. Hinweise auf Wahlbetrug oder gezielte Manipulationen wurden zwar nicht gefunden. Mehrere Zeugen räumten aber zumindest Regelverstöße bei der Stimmauszählung ein: So wurden in einigen Bezirken die Briefwahlstimmen schon am Sonntagabend ausgezählt. Laut Wahlgesetz wäre das aber erst ab Montagmorgen erlaubt gewesen.

Hofer: "Vertrauen in den Rechtsstaat

Norbert Hofer und Alexander Van der Bellen (Foto: picture-alliance/dpa/F. Wieser)
Das Duell zwischen Alexander Van der Bellen (links) und Norbert Hofer geht weiterBild: picture-alliance/dpa/F. Wieser

Hofer erklärte nach der Gerichtsentscheidung, er sei "froh, dass der Verfassungsgerichtshof eine schwierige Entscheidung objektiv getroffen" habe. "Ich habe großes Vertrauen in den Rechtsstaat", fügte er hinzu. Der neue Präsident hätte in der kommenden Woche vereidigt werden sollen. Nun muss das dreiköpfige Präsidium des Nationalrats, dem auch Hofer angehört, die Amtsgeschäfte des Staatsoberhaupts kommissarisch übernehmen.

Der bisherige Bundespräsident Heinz Fischer scheidet nach zwölf Amtsjahren verfassungsgemäß aus dem Amt. Auf die Entscheidung der Verfassungsrichter sei er stolz, erklärte Fischer nach dem Urteil. "Die Demokratie hat eine Bewährungsprobe bestanden."

Ring frei für die nächste Runde

Österreichs Grünen-Chef Alexander Van der Bellen gibt sich derweil siegessicher. "Wenn ich es einmal geschafft habe, kann ich es auch ein zweites Mal schaffen", erklärte der 72-jährige Wirtschaftsprofessor. "Wir werden in den kommenden Monaten wieder eine breite Bürgerbewegung auf die Beine stellen". Ihn erreichten bereits Spenden, um den Wahlkampf zu finanzieren, führte Van der Bellen aus. Er betonte: "Das ist kein Spiel. Mir geht es um den Zusammenhalt in Österreich".

Die Stichwahl wird voraussichtlich im Herbst wiederholt werden. Wie das Innenministerium ermittelte, wird die neuerliche Abstimmung die Österreicher etwa zehn Millionen Euro kosten. Bundeskanzler Christian Kern von der sozialdemokratischen SPÖ forderte "einen kurzen Wahlkampf, der nicht von Emotionen getragen ist".

Wahrscheinlicher ist jedoch ein spannungsgeladener Wahlkampf, bei dem auch das Brexit-Votum der Briten eine Rolle spielen dürfte. Hofer fordert, auch in Österreich eine Abstimmung über den Verbleib in der EU anzusetzen. Wenn die EU nicht innerhalb eines Jahres Reformen beschließe, "dann müssten wir die Österreicher fragen, ob sie hier noch Mitglied sein wollen", erklärte er. Van der Bellen ist dagegen ein entschiedener EU-Befürworter.

rk/qu/nin (dpa, rtr)