Kurze Freude
28. Juni 2013Überschwängliche Begeisterung schwappte durch die US-Medien. "Historisches Gesetz", schrieb die Nachrichtenagentur "AP", der Fernsehsender "ABC" sprach von einer Grundsatzentscheidung der Einwanderungspolitik, und die "New York Times" nannte die Entscheidung "den bedeutendsten Umbau der Einwanderungsgesetze des Landes seit Jahrzehnten".
Was war geschehen?
Der US-Senat hatte mit deutlicher Mehrheit und Stimmen aus beiden politischen Lagern nach langwierigen Verhandlungen eine umfassende Änderung der Einwanderungsgesetzgebung beschlossen. Der erzielte Kompromiss sieht vor, den rund 11 Millionen illegalen Einwanderern die Möglichkeit zu geben, ihren Aufenthaltsstatus zu legalisieren. Im Gegenzug soll die Grenzsicherung drastisch verstärkt werden, um mögliche künftige illegale Einwanderer abzuschrecken.
Tatsächlich ist der Inhalt des Gesetzes ein Novum. Mit diesem Plan, den Einwanderern den Weg in die Legalität zu ebnen, könnte ein politisch hochbrisantes Thema endlich gelöst werden. Aber leider ist die vom Senat verabschiedete Einigung eben bislang nicht viel mehr als genau das - ein Plan. Denn in dieser Form wird das Gesetz mit großer Wahrscheinlichkeit niemals in Kraft treten - dafür braucht der Senats-Entwurf die Zustimmung der zweiten Kammer, des Repräsentantenhauses.
Geringe Chancen
"Die Chancen, dass das Gesetz es durch das Repräsentantenhaus schafft, sind verschwindend gering, da dort die Gegensätze zwischen Demokraten und Republikanern viel prononcierter sind", sagt Heike Bungert, Professorin für Neueste Nordamerikanische Geschichte an der Universität Münster, im Gespräch mit der DW.
Während der Senat von den Demokraten kontrolliert wird, halten die Republikaner die Mehrheit im Repräsentantenhaus. Deren Sprecher, John Boehner, kündigte bereits an, er werde nur einen Entwurf zur Abstimmung bringen, der von der Mehrheit seiner Partei unterstützt wird. Zuvor hatten Mitglieder der republikanischen Fraktion im Repräsentantenhaus offen gedroht Boehner zu stürzen, sollte er - wie schon bei anderen Themen - auch bei der Einwanderungsfrage einen Gesetzentwurf zur Abstimmung zulassen, der keine Mehrheit bei den Republikanern hat.
Keiner der von den Republikanern mehrheitlich unterstützen Entwürfe zum Einwanderungsrecht sieht eine Legalisierung der im Land lebenden Einwanderer vor. Das jedoch ist das Kernstück der Senats-Version - und somit dürfte das Gesetz politisch schon tot sein.
Das bedeutet nicht, dass die Einwanderungsreform komplett gescheitert ist. Aber mit Blick auf den tief gespalteten und oft handlungsunfähigen Kongress - in den vergangenen vier Jahren schafften es die Abgeordneten nicht einmal einen Haushalt zu beschließen - klingt Boehners Ankündigung, "wir machen ein eigenes Gesetz", vielen wie eine Drohung.
Langwieriger Prozess
"Selbst wenn ein Gesetz mit republikanischer Mehrheit das Repräsentantenhaus passieren würde, dann hätte man zwei verschiedene Versionen und müsste sich im Vermittlungsausschuss auf einen Kompromiss zwischen Repräsentantenhaus und Senat einigen und diesen Kompromiss nochmals beiden Kammern zur Abstimmung vorliegen", sagt Henriette Rytz, Amerika-Expertin der Stiftung Wissenschaft und Politik.
Der Weg bis dahin wäre weit und beschwerlich. Ob es dazu jedoch überhaupt kommt, ist nicht nur angesichts der unterschiedlichen Positionen von Republikanern und Demokraten ungewiss. Denn auch intern sind die Republikaner gespalten. So stimmten zwei hispanische Hoffnungsträger der Partei im Senat unterschiedlich ab. Während der aus Florida stammende Senator Marco Rubio den Kompromiss mit aushandelte, lehnte ihn sein texanischer Kollege Ted Cruz ab.
"Ich denke, dass einige Republikaner ihre Position aufgrund der enttäuschenden Zustimmungswerte der hispanischen Wähler bei der letzten Präsidentschaftswahl verändert haben", sagte Dorian Woods, Politikwissenschaftlerin an der Universität Tübingen.
Tiefe Spaltung
Aber nicht alle. Besonders im Repräsentantenhaus dominieren noch immer die extrem konservativ ausgerichteten Republikaner. Angesichts der politischen Lähmung des Kongresses, wird der verkündete Meilenstein in der Einwanderungspolitik in Wirklichkeit auch weiter auf seine Umsetzung warten lassen.
"Im Land gibt es einfach zu viele Gegensätze, zwischen Kindern von Einwanderern und 'Alteingesessenen' - deren Vorfahren natürlich auch irgendwann eingewandert sind -, zwischen Firmen und Landwirtschaft, die Arbeitskräfte brauchen, und jenen, die bei Einwanderung nur die hohen Kosten für das Sozial- und Schulsystem sehen", betont Heike Bungert.
Der Jubel über die Abstimmung im Senat verdeutlicht einmal mehr, wie tief die Kluft zwischen den politischen Lagern in Washington geworden ist. Und wie froh man inzwischen schon über einen gelungenen Kompromiss ist - und sei er noch so kurzlebig.