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Verlag Klaus Wagenbach wird 50

Christiane Kort28. Mai 2014

Vor 50 Jahren gründete er in West-Berlin den unabhängigen Verlag für wilde Leser: Klaus Wagenbach. Er vereinte westdeutsche und ostdeutsche Literatur und sympathisierte mit der linken Szene.

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Ausstellung 50 Jahre Verlag Klaus Wagenbach(Foto: Carola Seifert)
Bild: Carola Seifert

Es sind nur sechs Vitrinen, die chronologisch die 50-jährige Verlagsgeschichte dokumentieren, zwei weitere Schaukästen zeigen die Bücherherstellung. Und dennoch lesen sich die wenigen Gegenstände wie ein spannender Zeitkrimi.

1964 kehrte Klaus Wagenbach nach Buchhändlerlehre, Studium, Promotion und Tätigkeit als Verlagslektor bei Fischer in Frankfurt in seine Heimatstadt Berlin zurück. Genauer: nach West-Berlin, denn die kriegszerstörte Stadt war seit drei Jahren durch die Mauer geteilt.

Ein mutiger West-Ost-Verleger

"In den ersten Vitrinen können Sie den Untergang des gesamtdeutschen Traums eines Jünglings nachverfolgen, der die ostdeutsche wie die westdeutsche Literatur in seinem Verlag zusammenführen wollte", resümmiert der Verleger Klaus Wagenbach. Das gelang ihm anfangs sogar. Klaus Wagenbach veröffentlichte in seinem neugegründeten Verlag neben Kurt Wolff, Ingeborg Bachmann, Günter Grass und Erich Fried auch Johannes Bobrowski und Stephan Hermlin, die in Ost-Berlin lebten. Nachdem jedoch Schallplatten des kritischen Liedermachers Wolf Biermann erschienen waren, beendeten die DDR-Behörden rigoros ihre Lizenzvergabe und belegten den eigenständigen Publizisten mit einem Einreise- und Durchreiseverbot. Nur noch per Flugzeug konnte Wagenbach die Insel West-Berlin verlassen und zu ihr zurückkehren. "So lernte ich meine Flugangst überwinden und machte notgedrungen, weil angeschnallt, viele Bekanntschaften", erinnert er sich.

Aufbruch nach 1968

Von Anfang an veröffentlichte der Verlag Serien, um das Interesse bei Publikum und Händlern wachzuhalten. Die schwarzen "Quarthefte", benannt nach ihrem ungewöhnlichen Format, fielen auf: ihr Inhalt war neu, der Preis erschwinglich, die Schriftsteller zum Teil schon bekannt. Sie reflektierten die Zeit literarisch, später auch wissenschaftlich, stets kritisch und auf hohem Niveau.

Klaus Wagenbach mit Ausstellungsbesuchern (Foto: Carola Seifert)
Klaus Wagenbach mit AusstellungsbesuchernBild: Carola Seifert

Und dann kamen auch schon die 68er Jahre: Studentenproteste, Vietnam-Krieg, die Erschießung Benno Ohnesorgs, schließlich der militante Widerstand von Teilen der Bewegung. Wie kein Zweiter - so zeigen maschinenschriftliche Manuskripte, Notizen und zerfledderte Taschenbücher - hat der heute 83-Jährige diese Aufbruchszeit als Person durchlebt und als Verleger widergespiegelt. Es war Klaus Wagenbach, der zuerst das Manifest der linksterroristischen Vereinigung RAF gedruckt veröffentlichte. Und es war Klaus Wagenbach, der die Grabrede für Ulrike Meinhof hielt, die Autorin seines Verlages gewesen und mit der RAF in den Untergrund gegangen war. Aber er veröffentlichte auch Peter Brückners kritisches Buch über sie, was ihm Teile der linken Szene übelnahmen.

Feinde rechts und links

Jahrzehntelang war Klaus Wagenbach persönlich öffentlichen Angriffen durch die rechtskonservative Springer-Presse ausgesetzt. Polizeiliche Hausdurchsuchungen und Gerichtsprozesse - die er, verteidigt durch seinen Freund und Anwalt Otto Schily, wie er sagt, alle "redlich verlor" - gehörten zum Alltag. Dass der Verlag dennoch nicht verboten wurde, verdanke er auch Schilys Wirken.

Existentiell gefährdet war der Verlag ironischerweise durch eine Zerreißprobe im Inneren, berichtet Susanne Schüssler im Gespräch mit der Deutschen Welle. Sie leitet inzwischen das Unternehmen und ist mit Klaus Wagenbach verheiratet. 1972 spitzten sich die Konflikte im Lektoren-Kollektiv zu, es kam zur Abspaltung und Gründung des Rotbuch-Verlages mit einem ähnlichen linksorientieren Programm. Klaus Wagenbach wurde nun von der anderen Seite bedroht. Er wechselte deshalb den Heimweg täglich. Ein alter Schlagring, der ebenfalls ausgestellt ist, sollte ihm helfen, sich bei möglichen Angriffen zu verteidigen.

Vom "Freibeuter" zur "Souveränen Leserin"

Trotz aller Widrigkeiten war Klaus Wagenbach ein erfolgreicher Verleger, der auch im Ausland nach neuen Autoren Ausschau hielt und sie dem deutschen Publikum vorstellte. Pier Paolo Pasolini war so wegweisend, dass der Verlag eine eigene Schriftenreihe nach dessen Titel "Freibeuter" benannte. Wagenbach blieb seinen Prinzipien treu, ging nicht mit dem Mainstream, sondern freute sich am Entdecken. In den 90er Jahren verlegte er Michel Houellebecq, den ihm ein befreundeter englischer Buchhändler als "eine Art Thomas Bernhard on Speed" empfohlen hatte.

Klaus Wagenbach und Susanne Schüssler (Foto: Carola Seifert)
Klaus Wagenbach und Susanne SchüsslerBild: Carola Seifert

Nach 2000 wurde das Programm noch einmal internationaler, Kunstbücher kamen hinzu, und dem Verlag gelang mit Alan Bennetts "Die souveräne Leserin" erstmalig ein Bestseller. Es war bereits das dritte Buch des englischen Autors, das der Verlag, mittlerweile unter der Leitung von Susanne Schüssler, publiziert hatte. Ihr Grundsatz: "Festhalten, Back List pflegen und die Autoren weiterhin im Verlag behalten."