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Versagen im Sudan

Reinhold Meyer30. Juli 2004

Der UN-Sicherheitsrat hat über eine abgeschwächte Sudan-Resolution abgestimmt, in der die Entwaffnung der Janjawid-Milizen in Region Darfur gefordert wird. Ein Kommentar von Reinhold Meyer.

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Nun hat sich der UN-Weltsicherheitsrat endlich zu einer Resolution für den Sudan durchtaktiert. Der von den USA eingebrachte, und nun verabschiedete Entwurf verzichtet auf Sanktionsdrohungen gegen Khartum. Vorgesehen ist aber die Drohung mit wirtschaftlichen Maßnahmen, wenn die Regierung nicht gegen Massenmord und Vertreibungen vorgeht. Eine solche Resolution zeigt, dass die Weltgemeinschaft aus der Vergangenheit nichts gelernt hat.

Verwässerte UN-Resolution

Dennoch: Angesichts des eng verzweigten Gestrüpps von verschiedenen Interessen der Mitglieder konnten nur Politikträumer ein schärferes oder gar militärisches Vorgehen erwarten. In der Schlüsselpassage des Resolutionsentwurfes wird der sudanesischen Regierung eine Frist von 30 Tagen gesetzt, um die Sicherheit der Menschen in Darfur zu gewährleisten. Nach Ablauf dieser Frist soll der Weltsicherheitsrat entscheiden, welche Maßnahmen erforderlich seien.

So setzt der Weltsicherheitsrat auf ungewisse Aktivitäten in der Zukunft, anstatt längst überfällige Taten zu beschließen. Es bleibt also ein großes Fragezeichen hinter der Zukunft der Region. Und welche Hoffnung sollen die geschundenen Flüchtlinge für ihre Zukunft schöpfen angesichts des fast zynisch zu bezeichnenden Ringens um das Wort Sanktionen, das nun zu "Maßnahmen" verwässert wurde?

Unvermögen der internationalen Gemeinschaft

Der Fall Darfur wirft erneut die Frage auf, wie die Weltgemeinschaft, sei es in Form einzelner Länder, sei es in Form internationaler Organisationen, friedensstiftend auf Konflikte einwirken kann. Das Beispiel Sudan gibt keine Antwort auf diese Frage, jedenfalls keine ermutigende.

Darfur hat vielmehr auf tragische Weise das Unvermögen der Weltgemeinschaft deutlich gemacht, sich friedenstiftend in Kriege und Konflikte einzumischen. Das konsequente Wegschauen, Unterschätzen, Kleinreden und Ignorieren der tatsächlichen Lage haben der Katastrophe in Darfur die verheerende Hintergrundkulisse geliefert. Wo Entschlossenheit und schnelles Handeln überfällig waren, überwogen Taktierereien und Meinungsverschiedenheiten.

Kein Konzept

Die internationale Gemeinschaft hat vor allem ein Konzept vermissen lassen. Über die sicherlich dringend erforderliche humanitäre Hilfe hinaus gab es keinerlei Konzepte, die Ansätze für einen langfristig tragbaren Frieden in der Region aufgezeigt hätten. Die in den letzten Monaten eskalierende Situation in Darfur und das dadurch ausgelöste Morden sowie die Flüchtlingsströme zeigen vielmehr, dass Taktieren und Demagogie über die afrikanischen und internationalen diplomatischen Schlichtungsversuche zu siegen scheinen.

Eine andere Lektion lautet, dass die internationale Gemeinschaft bei Krisen wie in Darfur nur dann energisch eingreifen kann, wenn sie sich nicht untereinander in Rivalitäten verzettelt. Die Tragödie in Darfur wurde auch dadurch wesentlich beeinflusst, dass nicht internationale Ignoranz, wohl aber politische, wirtschaftliche und kulturelle Interessengegensätze zum Tragen kamen. Zudem war der Sudan - wie auch andere afrikanische Regionen - ein zu lange vernachlässigter dringender Notfall mit verheerenden Folgen. Gewiss hat es auch die Afrikanische Union bisher versäumt, wirksam den Beweis zu erbringen, dass sie afrikanische Konflikte selbst lösen kann. Doch folgt das Gesetz des Handelns selten afrikanischen Vorstellungen. Beginn, Ausführung und die Beendigung von internationalen Einsätzen werden meistens durch die Interessen von nicht-afrikanischen Staaten bestimmt.

Geringe Einsatzbereitschaft

Geblieben ist eine wieder einmal in ihrer Glaubwürdigkeit erschütterte UNO und die anhaltende Diskussion nicht nur über wirksame Früherkennung von Krisensituationen, sondern vor allem über eine schnelle Reaktion. Ansonsten lässt die internationale Einsatzbereitschaft eher zu wünschen übrig.

Das Zögern, die taktischen Vorbedingungen und die politischen Hintergedanken im Falle Darfur führen zu der Frage, ob die internationale Gemeinschaft bei Konflikten mit verschiedenem Maß misst. In einer selbstkritischen Verurteilung des ruandischen Genozids hatte der amerikanische Ex-Präsident Bill Clinton gesagt: "Wir handelten nicht rasch genug als das Töten begann. Wir nannten die Verbrechen nicht sogleich bei ihrem wahren Namen."

Nichts gelernt

Und der Generalsekretär Kofi Annan meinte bei der Vorstellung eines Aktionsplans zur zukünftigen Konfliktprävention: "Nur wenn wir die möglichen Opfer von morgen retten, werden wir die Erinnerung an die Opfer von gestern würdigen können." Angesichts der Leiden in Darfur bleibt die drängende Frage: Haben die schrecklichen Lektionen wie in Ruanda oder Kongo international denn überhaupt nichts bewirkt?