Flüchtlingsverteilung: Keine Lösung in Sicht
25. Januar 2018Kaum ein Thema ist in der EU so aufgeladen wie die verpflichtende Aufnahme von Flüchtlingen. Seit 2016 gibt es deshalb keinen Fortschritt bei der geplanten Reform der sogenannten Dublin-Regeln. Sie scheitert bisher am geplanten Krisenmechanismus, wonach die Erstaufnahmeländer - Griechenland, Italien, Spanien - Flüchtlinge abgeben können, wenn sie übermäßig durch Neuankünfte belastet werden. Aufgenommen werden müssten diese Menschen dann nach einem Verteilungsschlüssel von allen anderen EU-Staaten. Vor allem Polen und Ungarn, nach dem Regierungswechsel auch Österreich, lehnen diesen Mechanismus kategorisch ab.
Umverteilung ausklammern
Jetzt will die Ministerrunde das Verfahren umdrehen. Zunächst sollen alle einigungsfähigen Fragen abgearbeitet werden, sagt der deutsche Innenminister Thomas de Maizière. Die Reformen des Fingerabdruck-Identifizierungssystems Eurodac und der Asylagentur seien schon fertig. Es blieben fünf weitere Themen, an denen Deutschland auch großes Interesse habe. Dazu gehören die Überarbeitung des gemeinsamen Grenzschutzes, die Angleichung der Asylbedingungen und der Regeln für die Anerkennung. Auf diesem Gebiet soll es Änderungen geben, ebenso wie beim Familiennachzug. Einen "Non-Runner", eine politische Totgeburt, nennt dabei de Maizière einen Vorschlag des Europaparlaments, das die Rechte hier ausdehnen will.
Wenn man sich über diese Einzelfragen geeinigt hat, kommt es zum zentralen Streitpunkt: die verpflichtende Aufnahme von Flüchtlingen. "Deutschland hält weiter daran fest", sagt Thomas de Maizière, aber es sei sinnvoll, erst alle kleineren Pakete einzupacken, bevor man das große Gesamtpaket zusammenschnüre.
Mehrheitsentscheidung, Freikauf oder Verschiebung?
Der deutsche Innenminister will dabei ausdrücklich nicht ausschließen, dass es am Ende erneut eine Mehrheitsentscheidung geben könnte, erneut gegen die Stimmen der Polen und Ungarn, möglicherweise nun auch der Österreicher. Das gilt allerdings als "nukleare Lösung", weil sie die politische Spaltung der EU vertieft. "Quoten sind keine gute Sache", so der slowakische Innenminister Robert Kalinak.
De Maizière betont wiederum, dass es auch in anderen Politikbereichen in der EU Mehrheitsentscheidungen gebe, sie seien eigentlich normal - wobei es hier an der Umsetzung scheitert. Schon in der ersten Runde weigerten sich Ungarn und Polen, die ihnen zugewiesenen Flüchtlinge aufzunehmen. Das Verfahren beim Europäischen Gerichtshof, das die EU-Kommission gegen die Ungarn, Polen und Tschechien angestrengt hat, läuft noch. Das Gericht wird wohl Geldstrafen verhängen, aber nicht die Aufnahme von Flüchtlingen anordnen. Faktisch sind Quoten nicht umsetzbar.
Bliebe die Freikauf-Variante: Die Osteuropäer, die nicht mitmachen wollen, zahlen pro Flüchtling Summe X in die Gemeinschaftskasse oder leisten wesentlich mehr für Grenzschutz und andere Aufgaben. Oder es gibt am Ende nur eine halbe Dublin-Reform, und die Verteilungsfrage bleibt ungelöst, was aber heftigen Widerstand bei den betroffenen Südeuropäern auslösen würde. Nach diesem informellen Treffen in Sofia sieht es allerdings so aus, als ob das Problem einfach auf die lange Bank geschoben werden soll.
Österreich auf hartem Kurs
Österreichs neuer FPÖ-Innenminister Herbert Kickl beantwortet die Frage nach der Umverteilung nicht direkt. Sagt aber, wenn es gelänge den Schutz der Außengrenzen zu perfektionieren, würde sich das Problem quasi von selbst erledigen. Zu einem massenhaften Zustrom von Flüchtlingen wie in der Vergangenheit würde es dann nicht mehr kommen. Kickl will darüber hinaus die Arbeit bei der Dublin-Reform vor allem auf die Beschleunigung von Rückführungen und beim Kampf gegen Schlepper konzentrieren. Der Minister aus Wien lässt dabei offen, wie sich seine Regierung beim kommenden EU-Gipfel verhalten wird.