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Die verzweifelte Jugend Israels und Palästinas

Dana Regev13. Oktober 2015

Während viele eine dritte Intifada in Israel fürchten, haben weniger laute Stimmen Angst vor dem Ausbruch eines neuen Kriegs. Viele junge Israelis und Palästinenser glauben dabei kaum mehr an eine dauerhafte Lösung.

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Palästinenser an dem Nahal Grenzübergang zum Gazastreifen (Foto: AFP PHOTO)
Bild: Getty Images/AFP/M. Hams

Angesichts der jüngsten Zusammenstöße zwischen Israelis und Palästinensern wächst die Angst vor einem neuen Krieg - und das nur ein Jahr nach der israelischen Offensive in Gaza, der Operation "Protective Edge". Die Menschen haben Angst vor der schieren Gewalt, aber auch vor den möglichen Konsequenzen einer Verschärfung des Konflikts.

"Es ist weniger die Angst vor physischen Verletzungen, als die Angst vor Eskalation, Hass und Intoleranz", sagt Shay Laadan, eine 31-jährige Studentin aus der südisraelischen Stadt Beersheba. "Ich erinnere mich gut daran, was hier während der Operation "Protective Edge" passiert ist und an die persönlichen Attacken, die ich für meine linken Ansichten erfahren musste", ergänzt sie. "Wenn ich über all die Facebook-Posts von Israelis nachdenke, die sich wünschten, dass Frauen wegen ihrer Meinung vergewaltigt werden oder dazu aufriefen, Kinder umzubringen - dann fühle ich mich hilflos."

Sie kenne Leute, die bedroht wurden, nur weil sie Gewalt im Allgemeinen verurteilten, so wie die jüngsten Rachetaten von Israelis wie Palästinensern in der Jerusalemer Altstadt. Laadan ist, wie so viele andere, besorgt über die Zukunft der beiden Völker in deren gemeinsamem Zuhause.

Gewalt und Gegengewalt

In den letzten Wochen haben die Zusammenstöße zwischen Israelis und Palästinensern zugenommen. Im Westjordanland verschärften sich die Spannungen massiv, nachdem ein jüdisches Paar erschossen in seinem Auto gefunden wurde. Infolgedessen wurden verstärkt israelische Truppen in die Region gesendet, um nach dem Schützen zu fahnden und angesichts der Racheakte an Palästinensern für Ordnung zu sorgen.

Auch der Gazastreifen wurde Schauplatz neuer Gewalttaten, als Hunderte Palästinenser am Grenzzaun mit Steinen und brennenden Reifen auf israelische Sicherheitskräfte losgingen. Sechs Palästinenser wurden getötet, mehr als 60 verletzt.

Israelische Polizisten in Jerusalem (Foto: Reuters)
Israelische Polizisten versuchen die Ausschreitungen in Jerusalem unter Kontrolle zu bringenBild: Reuters/R. Zvulun

Israelische Regierungsvertreter und Militärs werden nicht müde, der Bevölkerung zu erklären, dass keine dritte Intifada drohe. Verantwortliche der israelischen Armee und des Inlandsgeheimdienstes Shin Bet betonen gar die positive Seite der Aufstände der letzten Wochen. Anders als bei der Intifada im Jahr 2000 ermutige die Palästinensische Autonomiebehörde die Menschen nicht zu Terrorakten und weise ihre Sicherheitskräfte unmissverständlich an, die Gewalt zu bekämpfen.

Unsicherheit immer und überall

Auf israelischen wie palästinensischen Straßen beruhigt das die Menschen nicht. "Jedes Mal, wenn ich mein Haus verlasse, fühle ich mich nicht sicher", sagt Ori Padael, eine 27-jährige Lehrerin aus der kleinen israelischen Gemeinde Talmei Elezar, zehn Kilometer vom Westjordanland entfernt. "Ich wohne in der Nähe einiger arabischer Dörfer und als ich heute in einem Einkaufszentrum war, drehte ich mich alle paar Sekunden um, um zu sehen, wer hinter mir läuft."

Für andere sind es die unvorhergesehenen und scheinbar willkürlichen Geschehnisse, die ihnen Angst machen. "Die Tatsache, dass alle Attacken spontane Messerstechereien ohne Warnung waren, schafft ein hohes Maß an Unsicherheit", sagt die 23-jährige Tel Aviver Studentin Eilit Rozin. "Das alles passiert an zentralen Orten, an denen jeden Tag tausende Menschen vorbeikommen."

"Blumen und Dornen"

Möglicherweise stellen die aktuellen Ereignisse eine Eskalation dar - für viele sind sie jedoch nur eine kleine Welle der Gewalt in einem größeren, niemals endenden Krieg. Nareman Mruwat, eine 36-jährige Lehrerin aus Nazareth erzählt, wie sie vor 13 Jahren von einem Israeli angegriffen wurde: "Ich bin aus dem Bus ausgestiegen und losgelaufen, als ein israelischer Soldat mir folgte und 'Tod allen Arabern' murmelte. Er warf mich auf den Boden und richtete sein Gewehr auf mich."

Palästinensische Protestanten am Nahal Grenzübergang zum Gazastreifen (Foto: AFP PHOTO)
Palästinensische Demonstranten flüchten an der Grenze zum Gazastreifen vor dem Tränengas israelischer SoldatenBild: Getty Images/AFP/M. Hams

Alles, woran sie in diesem Moment habe denken können, sei ihre acht Monate alte Tochter, die ihre Mutter verlieren würde. "Ich habe dem Soldaten in die Augen gesehen und gesagt, dass ich ein Baby zuhause habe, das ich noch nicht umarmt, geküsst, aufgezogen habe", erinnert Mruwat sich. Plötzlich habe sie Menschlichkeit in dem Mann entdeckt. "Er sah mich an, vergoss eine Träne und sagte, 'Steh auf und renn weg von hier - ich will kein Mörder sein'." Dank ihm wisse sie heute, dass ihr Land aus beidem bestehe, aus "Blumen und Dornen".

Noch Hoffnung?

Auf den Straßen des heutigen Jerusalems scheint es weniger Mitleid und Erbarmen zu geben. Rechtsextreme Aktivisten randalierten in der vergangenen Woche gegen das, was sie die Untätigkeit und Kapitulation der Regierung Israels nennen. "Tod den Arabern" und "Polizeistaat" skandierten sie. Sie liefen umher und sprachen willkürlich Leute an. Diejenigen, die mit einem arabischen Akzent antworteten, griffen sie blindlings an.

Dazu kommt, dass die Massenmedien nicht über kleinere Zwischenfälle berichten - dass zum Beispiel ein palästinensischer Bauarbeiter verletzt wurde, als ein Israeli mit dem Messer auf ihn losging oder in einer ultraorthodoxen Bäckerei alle arabischen Mitarbeiter entlassen wurden.

Die Proteste auf dem Tempelberg, bei denen 1990 etwa 20 Palästinenser getötet und mehr als 150 verletzt wurden, jähren sich dieses Jahr zum 25. Mal. Wie vor 25 Jahren liegt auch heute eine Kluft zwischen Israelis und Palästinensern und der Art und Weise, wie beide Völker die Entwicklungen in ihrem Land wahrnehmen. Allerdings schien es damals, als hätten Israelis wie Palästineser noch Hoffnung - auf eine dauerhafte und positive Lösung des Konflikts.