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Europas Fußballligen im Visier organisierter Kriminalität

Tobias Käufer Rio de Janeiro
17. Dezember 2024

Die globale Video-Piraterie zerstört das Geschäftsmodell der Bezahlsender und gefährdet damit auch die Einnahmen des Profifußballs. Besonders betroffen sind Europas Top-Ligen - auch die deutsche Fußball-Bundesliga.

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Spielszene Real Madrid gegen FC Barcelona
Top-Spiele von Europas Top-Klubs - wie der Clasico zwischen Real Madrid und Barcelona - sind bei den Fans in Lateinamerika sehr gefragtBild: Hussein Malla/AP Pictures/picture alliance

Für ihren "Kampf gegen den audiovisuellen Betrug in Lateinamerika" hatte sich La Liga, die höchste spanische Fußball-Liga, eine der besten Adressen ausgesucht: Im "Palacio Duhau" in einer der teuersten Gegenden in der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires wurde zum gemeinsamen Kampf gegen die globale Video-Piraterie aufgerufen.

"Sie rauben uns unser Produkt", sagte La-Liga-Chef Javier Tebas und griff dabei gleich mehrere Akteure an: US-Tech-Konzerne wie X, Cloudfare oder Google, die eine Kooperation verweigerten und damit zu Komplizen der illegalen Verbreitung oder des illegalen Zugangs von Übertragungen würden.

Javier Tebas, Chef der spanischen Fußballiga La Liga, bei einer Podiumsdiskussion
La-Liga-Präsident Javier Tebas kritisiert die Untätigkeit von Tech-Konzernen wie "X" oder "Google" gegen Video-PiraterieBild: Dennis Agyeman/ZUMA Press Wire/IMAGO

Ihr Ziel sei es, via Werbeeinnahmen Gewinne zu erzielen, auch auf Kosten illegal verbreiteter Inhalte. Wenig später legte Hernan Donnari, CEO des unter anderem in Lateinamerika aktiven Medienunternehmens und Rechteinhabers "1190 Sports", nach: "Es geht hier auch um Arbeitsplätze, die in Gefahr sind."

Milliardenschäden für die Unterhaltungsindustrie

Der Profifußball ist längst ein zentraler Bestandteil der Unterhaltungsindustrie. Und ob Musik, Film oder Kulturbranche: Sie alle haben mit den Folgen der globalen Video-Piraterie zu kämpfen. Illegale Streamingdienste bieten Live-Übertragungen zu Dumpingpreisen an.

Dass sie damit im fußballbegeisterten aber auch in weiten Teilen deutlich ärmeren Lateinamerika auf besonders großes Interesse stoßen, ist nicht wirklich überraschend. In Argentinien, dem Gastgeber-Land der Konferenz, lebte zuletzt zeitweise mehr als die Hälfte der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze. Trotzdem wollen die Fans irgendwie an den Top-Events teilhaben und greifen daher zu verbilligten illegalen Angeboten.

Fernseher mit Fußballspiel in einem Friseursalon in Buenos Aires
Fußball-Übertragungen wie in diesem Friseur-Salon in Buenos Aires sind in ganz Lateinamerika allgegenwärtigBild: Tobias Käufer

Ende November meldete die europäische Polizeibehörde Europol die Festnahme von elf Mitgliedern einer Bande, die illegales Streaming betrieben haben soll. Insgesamt identifizierte die Strafverfolgungsbehörde rund 102 Verdächtige. Mehr als 2.500 Fernsehkanäle, darunter auch Sportsender, sollen Videomaterial gekapert und ohne Zustimmung der Rechteinhaber über 22 Millionen Nutzern weltweit zugänglich gemacht haben, heißt es in der Europol-Meldung über das Netzwerk.

Studien beziffern Summe der Verluste

Verschiedene Studien offenbaren das wirtschaftliche Ausmaß der Schäden. Im März 2021 veröffentlichte "Synamedia” eine Untersuchung, nach der sich die jährlichen weltweiten Kosten der Video-Piraterie auf 28 Milliarden US-Dollar belaufen.

Eine weitere Studie der Rechteschutzagentur APAA, bei der auch die Deutsche Fußball Liga (DFL) Mitglied ist, ergab, dass Pay-TV-Betreiber allein durch IPTV-Piraterie im Jahr 2021 Verluste in Höhe von 3,2 Milliarden Euro erlitten hätten. Bei IPTV erfolgt die Übertragung über ein abgeschottetes System via Internet zum Kunden. Der benötigt dazu einen passenden Receiver.

Gleichzeitig fuhren die illegalen Betreiber Gewinne von rund einer Milliarde Euro ein. Eine Studie der Rechteschutzagentur APAA ermittelte einen jährlichen wirtschaftlichen Schaden von 1,8 Milliarden Euro durch Live-Piraterie.

Organisierte Kriminalität hat neues Geschäftsmodell entdeckt

"Es geht nicht mehr darum, dass irgendwelche Einzelpersonen illegal Videos mit einer Robin-Hood-Mentalität hochladen. Was derzeit passiert, ist, dass die organisierte Kriminalität die Videopiraterie als neues Geschäftsmodell entdeckt hat", sagt Oliver Pribramsky der DW.

Logo der DFL an der Zentrale in Frankfurt am Main
Die Deutsche Fußballliga (DFL) hat die Bundesligarechte gerade für 1,121 Milliarden Euro pro Saison verkauftBild: David Inderlied/Kirchner-Media/picture alliance

Er ist als Leiter "IP & Content Protection and Committees" bei der DFL zuständig für den Schutz des audiovisuellen Produkts Profifußball und beobachtet in verschiedenen Gremien die Entwicklung genau. Das Geschäftsfeld sei für die organisierte Kriminalität deswegen so attraktiv, weil es hohe Gewinnspannen abwerfe, aber kein existenzielles Risiko wie zum Beispiel beim Drogenhandel eingegangen werden müsse.

Die Konsequenz sei, so Pribramsky, dass es inzwischen "hochprofessionelle illegale Strukturen" gebe, die sich auf diesem Geschäftsfeld tummelten. Hauptvertriebsweg seien illegale Server, die nur schwer zugänglich seien und von denen aus Abo-Modelle betrieben würden. Gefragt sind nun die Behörden und die Politik, stärker gegen die organisierte Kriminalität vorzugehen.

Sky: "Kein Kavaliersdelikt"

In Deutschland versucht der Sender Sky, der unter anderem die Übertragungsrechte an der Fußball-Bundesliga und der 2. Fußball-Bundesliga gekauft hat, sich gegen die Video-Piraterie zu wehren.

Sky-Logo auf einem Schild im Dortmunder Stadion
Sky, in Deutschland seit Jahren einer der Bundesliga-Sender, versucht, sich gegen illegales Streaming zu wehrenBild: David Inderlied/Kirchner-Media/picture alliance

"Für uns ist Piraterie kein Kavaliersdelikt. Auch machen wir in unserem Ansatz keinen Unterschied zwischen großen und kleineren Anbietern. Gegen die, die unsere Inhalte illegal verbreiten, ermitteln wir. Und sie haben mit rechtlichen Schritten zu rechnen", sagt eine Sky-Sprecherin auf Anfrage der DW.

"Darüber hinaus unterstützen wir Aufklärungskampagnen wie zum Beispiel BeStreamWise.com, mit dem Ziel, Verbrauchern die Risiken vor Augen zu führen, die sie eingehen, wenn sie illegal auf Inhalte zugreifen."