Ein Pfiff und seine Folgen
17. April 2018Der Freiburger Trainer Christian Streich ist eigentlich niemand, der ein Blatt vor den Mund nimmt. Was den Videobeweis angeht, so hatte sich der Coach schon häufiger heftig zu Wort gemeldet, zwischenzeitlich sogar gemutmaßt, seine - relativ kleine - Freiburger Truppe werde im Vergleich zu anderen - relativ großen - Mannschaften benachteiligt. Doch soweit wollte es Streich diesmal nicht treiben. Sein Frust wurde auch im Mainzer Presseraum so deutlich.
"Ich versuche einfach, das alles hinzunehmen", sagte Streich und schüttelte kaum merklich mit dem Kopf. Der kuriose "Halbzeit-Videobeweis" am Montagabend während der 0:2 (0:1)-Niederlage beim FSV Mainz 05 hatte dem 52-Jährigen den Rest gegeben. "Sollen sie machen, was sie machen wollen. Deshalb heißt es Schiedsrichter", sagte Streich, der mit dem SC hinter Mainz auf den Relegationsplatz abrutschte. "Die entscheiden das, und wir haben das zu akzeptieren."
Der Unparteiische Guido Winkmann hatte nach seinem - vermeintlichen - Pausenpfiff doch noch auf Handelfmeter für die Gastgeber entschieden. Die SC-Profis waren da schon auf dem Weg in die Kabine und mussten auf den Rasen zurückgeholt werden. Pablo De Blasis, der später auch den zweiten Treffer erzielte (78.), behielt beim kuriosesten Strafstoß der Bundesliga-Geschichte einen klaren Kopf. Die Fangruppen beider Klubs pfiffen sich die Seele aus dem Leib.
"Als betroffener Verein wäre ich auch nicht begeistert", sagte Referee Winkmann: "Aber das ist eben auch der Videoschiedsrichter in der heutigen Zeit, der hier wieder zur Gerechtigkeit geführt hat." In der fraglichen Szene, nur Sekunden vor seinem Pausenpfiff, habe er "keine Chance" gehabt, das Handspiel von Marc-Oliver Kempf zu erkennen. Doch Video-Assistentin Bibiana Steinhaus im Kölner Kontrollzentrum gab den Hinweis.
Szenen, die keiner will
"Das sind Szenen, die am Ende keiner will", sagte Schiedsrichter-Chef Lutz Michael Fröhlich im TV-Sender Eurosport: "Das ist nicht schön und keine Werbung für den Ablauf." Dennoch sei die Entscheidung "nicht anders möglich" gewesen. Die Spekulationen, dass Steinhaus Winkmann (regelwidrig) erst angefunkt habe, nachdem dieser das Spielfeld verlassen hatte, konnten durch die Auswertung der Video- und Tonaufnahmen widerlegt werden, teilte Fröhlich am Dienstag mit.
Die Spieler des Sportclubs hatten ihrem Ärger trotzdem Luft gemacht. "Das kann man am letzten Spieltag machen, den Videobeweis noch einmal ausprobieren, wenn es um die goldene Ananas geht", schimpfte Abwehrspieler Manuel Gulde: "Aber doch nicht in so einem Spiel!" Auf der Mainzer Seite sagte der frühere Nationaltorwart René Adler: "Die Situation war natürlich gut für uns und irgendwo der Türöffner. Als Sportsmann fühlt man mit dem Gegner ein bisschen mit. Das ist ganz klar eine blöde Situation. Aber wir haben dieses Jahr den Videoschiedsrichter. Dann muss es auch überprüft werden."
Und das war am Ende wohl völlig korrekt. Der Videobeweis darf auch noch eingesetzt werden, wenn der Schiedsrichter auf dem Rasen bereits zur Halbzeit gepfiffen hat. Voraussetzung dafür ist die unmittelbare Kontaktaufnahme des Video-Assistenten zum Unparteiischen, bevor dieser das Spielfeld verlässt und beispielsweise in den Spielertunnel geht. "Der Halbzeitpfiff ist nicht mit dem Schlusspfiff gleichzusetzen", sagte Schiedsrichterchef Fröhlich: "Der Halbzeitpfiff ist eine Form der Spielunterbrechung, nicht der Spielbeendigung, das geht aus dem DFB-Regelwerk hervor."
Kein Nachschuss erlaubt
Der Strafstoß musste also ausgeführt werden. Gut übrigens für Mainz, dass De Blasis sofort traf. Denn ein Nachschuss wäre nicht mehr möglich gewesen. Unmittelbar nach der Ausführung des Elfmeters und dem direkten Ergebnis des Strafstoßes begann die eigentliche Halbzeitpause.
ml/asz (afp, dpa, SID)