Viel Streit über Berichte der NSU-Ausschüsse
3. Juni 2019Der NSU-Ausschuss des Sächsischen Landtages hat Versäumnisse des Verfassungsschutzes beim Umgang mit der rechtsextremen Terrorgruppe festgestellt. Es sei aber "kein staatliches Versagen beim Thema NSU" konstatiert worden, erklärten die Koalitionsfraktionen von CDU und SPD. Frühere Schwächen bei den Ermittlungsbehörden, etwa die Zusammenarbeit untereinander, seien inzwischen behoben worden, heißt es in dem Abschlussbericht, der mehrheitlich verabschiedet wurde.
In der sächsischen Landesbehörde habe es eine "inkongruente Auswertung der vorliegenden Informationen aus dem NSU-Umfeld gegeben", sagte der Ausschussvorsitzende Lars Rohwer in Dresden. Der CDU-Politiker bezeichnete den Bericht als "ein Stück zur Wiedergutmachung des abscheulichen und menschenunwürdigen Unrechts", das die NSU-Terroristen den Opfern und deren Familien angetan hätten. Die Ausschussmitglieder forderten von den Ermittlungsbehörden mehr Einsatz, um neue terroristische Tendenzen im politisch motivierten Bereich frühzeitig aufzudecken.
Schon zweiter U-Ausschuss
Der sächsische Landtag hatte vor mehr als vier Jahren auf Betreiben der Opposition den Ausschuss eingesetzt, der sich erneut mit einer Mitverantwortung und einem möglichen Fehlverhalten der Landesregierung und ihrer Behörden bei der Verfolgung des NSU befassen sollte. Bereits 2012 war erstmals ein U-Ausschuss eingerichtet worden, nach Meinung von Grünen und Linken blieben damals aber viele Fragen offen.
Auch diesmal will die Linkspartei ein Sondervotum veröffentlichen. Die Untersuchung habe gezeigt, dass der Verfassungsschutz bei der Suche nach dem untergetauchten NSU-Trio Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe "versagt hat", erklärte die stellvertretende Ausschussvorsitzende Kerstin Köditz von der Linken.
Sieben Sondervoten in Brandenburg
Auch der NSU-Untersuchungsausschuss im Brandenburger Landtag legte in Potsdam seinen Abschlussbericht vor. Dieser hat einen Umfang von über 3200 Seiten und bündelt in einem Feststellungsteil, einem Bewertungsteil der Fraktionen und einem Dokumentationsteil die Erkenntnisse aus 45 Sitzungen, sechs Sachverständigenanhörungen und der Einsicht in mehr als 12.300 Dokumente. Bei der Vorstellung des Berichts stritten die Fraktionen im Landtag darüber, wie die Ergebnisse des Untersuchungsschusses zu bewerten sind. Statt gemeinsamer Schlussfolgerung gaben die Abgeordneten insgesamt sieben Sondervoten ab.
Der Ausschuss hatte drei Jahre lang untersucht, ob die NSU-Morde an acht Migranten und einer Polizistin hätten verhindert werden können. Zudem sollte er aufklären, ob und welche Informationen dem Landesverfassungsschutz über den NSU vorlagen und wie damit umgegangen wurde.
Der V-Mann "Piatto" hatte den Ermittlungen zufolge bereits 1998 - also vor Beginn der Mordserie - Hinweise gegeben: So seien drei Skinheads in den Untergrund gegangen und planten Raubüberfälle. Die Informationen wurden nur an den Verfassungsschutz in Thüringen und Sachsen gegeben, nicht aber an die zuständigen Stellen der Polizei und Staatsanwaltschaft.
Streit über Einsatz von V-Leuten
Die Abgeordneten konnten sich insbesondere nicht auf Empfehlungen zum Einsatz von V-Leuten einigen. Dies sind Menschen, die aus extremistischen Gruppierungen heraus geheim Informationen an den Verfassungsschutz liefern. Der Obmann der oppositionellen CDU im Brandenburger NSU-Ausschuss, Björn Lakenmacher, erklärte, trotz festgestellter Fehler des Verfassungsschutzes sei der Einsatz von V-Leuten "notwendig und unverzichtbar". Die SPD sprach sich für klare Standards bei der Auswahl und Führung dieser Informanten aus.
Grüne und mitregierende Linke forderten hingegen, dass der Verfassungsschutz möglichst keine V-Männer mehr einsetzen solle. Die Linksfraktion sieht in dem Fall beim Verfassungsschutz Fehler und Lücken im Umgang mit Informationen insbesondere von einer V-Mann-Quelle. "Eine Ergreifung des NSU-Trios und seines Unterstützungsnetzwerks ist dadurch zumindest erschwert worden", hieß es in einem Sondervotum.
Die Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU), die aus Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe bestand, wird für zehn Morde und weitere Straftaten verantwortlich gemacht. Als einzig Überlebende wurde Beate Zschäpe zu lebenslanger Haft verurteilt.
kle/hk (afp, dpa, www.landtag.brandenburg.de, rbb)