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Neustart mit Altmaier

Nils Naumann23. Mai 2012

Raus aus Atomkraft und fossilen Energieträgern, rein in regenerative Energien. Die Energiewende voranzubringen, ist die schwierigste Aufgabe des neuen Umweltministers Peter Altmaier. Es klemmt nämlich gewaltig.

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ARCHIV: Der parlamentarische Geschaeftsfuehrer der Unionsfraktion im Bundestag, Peter Altmaier, posiert in Berlin am Rande seines Redaktionsbesuches bei der Nachrichtenagentur dapd fuer ein Portraet (Foto vom 09.11.11). Altmaier wird neuer Bundesumweltminister. Das hat die Bundeskanzlerin am Mittwoch (16.05.12) in Berlin bekannt gegeben. (zu dapd-Text) Foto: Berthold Stadler/dapd.
Peter AltmaierBild: dapd

Viele Baustellen warten auf ihn. Als Parlamentarischer Geschäftsführer der Union organisierte Peter Altmaier bisher hinter den Kulissen Mehrheiten für seine Chefin Angela Merkel. Mit Umweltthemen hatte er dagegen nur wenig zu tun. Eines ist klar: der Druck auf den neuen Umweltminister ist groß.

Vor gut einem Jahr, unter dem Eindruck der Atomkatastrophe im japanischen Fukushima, verkündete die Bundeskanzlerin den Ausstieg aus der Atomenergie. Bis 2022 werden alle deutschen Atomkraftwerke abgeschaltet. In Zukunft soll Strom in Deutschland vor allem aus regenerativen Energien gewonnen werden.

Erster spektakulärer Schritt war die Abschaltung von insgesamt acht alten und sicherheitstechnisch nicht mehr auf dem neuesten Stand befindlichen Atomkraftwerken. Der von vielen Kritikern befürchtete Blackout blieb aus. Selbst im tiefsten Winter floss der Strom, niemand musste unfreiwillig in Dunkelheit oder Kälte sitzen.

Das war auch der einzige Erfolg von Norbert Röttgen, Altmaiers Vorgänger, der vergangene Woche (16.05.2012) entlassen wurde. Jetzt muss Peter Altmaier die Probleme bei der Umsetzung der Energiewende lösen.

Strommast im Winter (Foto: dpa)
Im vergangenen Winter stand Deutschland knapp vor einem Blackout.Bild: picture-alliance/dpa

Wohin mit dem Atommüll?

Ungeklärt ist zum Beispiel weiterhin die Endlagerfrage. Noch immer weiß niemand, wohin mit dem über Jahrtausende strahlenden Müll aus den deutschen Atomkraftwerken. Bisher wird der Nuklearmüll, häufig auf dem Gelände der Reaktoren, zwischengelagert. Doch das ist keine dauerhafte Lösung.

Lange galt das niedersächsische Gorleben als einziger potentieller Standort für ein Endlager. Hier existiert ein unterirdischer Salzstock. Jahrzehntelang wurde in Gorleben gebohrt, geforscht, getestet. Doch die Eignung des Salzstocks ist noch immer umstritten. Gegner und Befürworter stehen sich unversöhnlich gegenüber.

Deswegen soll es jetzt einen Neustart bei der Suche nach einem Endlager geben. Laut Röttgen wäre nur noch ein Treffen nötig, um zu einem Konsens mit SPD, Grünen und Ländern zu kommen. SPD und Grüne forden aber ein wissenschaftlich fundiertes Verfahren ohne Vorfestlegungen. Andernfalls wollen sie nicht zustimmen. Sie befürchten, dass am Ende der Suche die Wahl erneut auf Gorleben fallen könnte. Schließlich wurden hier bereits rund 1,6 Milliarden Euro investiert. Bis zum Sommer, so der bisherige Plan, soll das sogenannte Standortauswahlgesetz stehen.

Demonstration gegen Solarenergieförderung in Berlin (c) dpa
Die Kürzung der Solarförderung ist in Deutschland umstrittenBild: picture-alliance/dpa

Was wird aus der Solarförderung?

Die zweite große Herausforderung für den neuen Umweltminister Altmaier ist der Streit um die Förderung der Solarenergie. Die Bundesregierung setzt zwar auf deren weiteren Ausbau, will aber ihre Subventionierung herunterfahren. Die geplante Kürzung um bis zu 30 Prozent scheiterte aber vor kurzem im Bundesrat, der Vertretung der Länder.

Die Länder befürchten, dass durch die geplante Kürzung die Pleitewelle bei den deutschen Herstellern von Solartechnik verstärkt wird. In der Branche tobt ein massiver Preiskampf. Vor allem chinesische Hersteller haben den Markt mit Kampfpreisen aufgerollt.

Altmaier muss den Konflikt möglichst schnell lösen. Die Unsicherheit über den zukünftigen Kurs hemmt Investitionen. Gleichzeitig droht ein Ausufern der Kosten für die Bürger, die die Solarförderkosten von mehr als sieben Milliarden Euro pro Jahr über den Strompreis bezahlen.

Wie kommt der Strom zum Kunden?

Beim Ausbau der Stromnetze gibt es ebenfalls Probleme. Schießlich muss der Strom, zum Beispiel von den geplanten neuen großen Offshore-Windkraftanlagen, zum Verbraucher gebracht werden. Die vorhandenen Netze reichen nicht aus. Neue Leitungen müssen her. Doch das dauert, die Planungsverfahren sind kompliziert, Bürger stellen sich quer.

Auch über die Frage, ob die Windenergie tatsächlich vor allem von Offshore-Windkraftanlagen kommen soll, gibt es Diskussionen. Kritiker halten die Projekte für überdimensioniert, ihre Kosten für unwägbar. Sie plädieren für kleine dezentrale Windkraftanlagen, in der Nähe der Stromabnehmer.

Solange die erneuerbaren Energien nicht ausreichen, muss der Strom aus Kohle- und Gaskraftwerken kommen. Doch davon gibt es nicht genügend. Die Unternehmen zögern aber mit Investitionen, solange die Rahmenbedingungen unklar sind. Sie fordern finanzielle Unterstützung. Viel Potential liegt noch beim Energiesparen brach. EU-Vorschläge für mehr Energieeffizienz wurden auf Druck von Wirtschaftsminister Rösler (FDP) aufgeweicht.

Wie wichtig ist die Energiewende?

"Die nächsten Monate", erklärt der Präsident des Bundesverbandes der deutschen Industrie, Hans-Peter Keitel, "sind entscheidend für das Gelingen der Energiewende." Er sichert Altmaier Unterstützung zu. Auch Hans Heinrich Driftmann, Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertags, drängt auf eine verlässliche Umsetzung der Energiewende: "Findet sich nicht bald eine Strategie, laufen Energieversorgung, Energiesicherheit und Energiepreise absehbar aus dem Ruder."

Klaus Töpfer, ehemaliger Leiter des UN-Umweltprogrammms und einer der profiliertesten deutschen Umweltpolitiker, fordert die Entwicklung eines klaren Masterplans für die Umsetzung der Energiewende. Noch immer sei unklar, wie deren Ziele in den nächsten zehn Jahren erreicht werden können: "Hier muss mehr Umsetzungsdruck hineinkommen."

Die Welt schaue auf Deutschland, betont Töpfer: "Überall wird genau beobachtet, ob es eine Industrienation wie Deutschland schafft, eine Energiepolitik zu betreiben, die die wirtschaftliche Stabilität erhält und die dennoch auf Kernenergie und auf einen Zuwachs an fossilen Energien verzichten kann." Die Energiewende müsse unbedingt gelingen, sagt Töpfer, "denn das sind die Arbeitsplätze der Zukunft".