Viele Tote bei Luftangriff auf Flüchtlingslager
17. Januar 2017Der Luftangriff der nigerianischen Armee traf das Flüchtlingslager Rann im Norden des Bundesstaates Borno. In dem Camp halten sich Menschen auf, die vor der Terrormiliz Boko Haram geflohen sind. Als Helfer gerade Essen an die Flüchtlinge verteilen wollten, wurde das Lager beschossen.
Statt des Camps sollte wahrscheinlich die nahegelegene Kleinstadt Kala getroffen werden, vermutete ein Anwohner des Flüchtlingslagers. Dorthin habe Boko Haram vor einigen Wochen seinen Stützpunkt verlegt, nachdem die Armee die Islamistengruppe aus dem Sambisa-Wald vertrieben hatte, sagte er der Nachrichtenagentur AFP. Auch der Generalmajor Lucky Irabor, der die Militäreinsätze gegen Boko Haram leitet, sagte vor Journalisten, die Luftwaffe habe Koordinaten von Boko-Haram-Kämpfern in der Region Kala-Balge bekommen. Leider habe sich das angegriffene Ziel als das falsche herausgestellt.
Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz erklärte, unter den Toten seien sechs Mitarbeiter des nigerianischen Roten Kreuzes. Außerdem wurden demnach 13 Rot-Kreuz-Mitarbeiter verletzt. Auf Bildern vom Angriffsort waren ausgebrannte Baracken zu sehen.
Staatschef Buhari äußert Bedauern
Ärzte ohne Grenzen beteiligte sich nach dem Angriff an den Rettungsarbeiten vor Ort. Auch ihre Teams in den Nachbarländern in Kamerun und im Tschad stünden bereit, Verletzte aus Rann zu behandeln, erklärte die Hilfsorganisation. "Dieser großangelegte Angriff auf verletzliche Menschen, die bereits vor extremer Gewalt geflohen sind, ist schockierend und inakzeptabel", erklärte der Einsatzleiter von Ärzte ohne Grenzen, Jean-Clément Cabrol.
Der nigerianische Staatschef Muhammadu Buhari erklärte, er empfinde "eine tiefe Traurigkeit" über diesen "bedauernswerten operationellen Irrtum". Er rief die Bevölkerung zugleich zur Ruhe auf.
Boko Haram kämpft seit Jahren für die Errichtung eines islamischen Gottesstaats im mehrheitlich muslimischen Nordosten Nigerias. Die Gruppe verübt immer wieder Angriffe auf Polizei, Armee, Kirchen und Schulen. Seit 2009 wurden in dem Konflikt mehr als 20.000 Menschen getötet. Außerdem ergriffen 2,6 Millionen Menschen die Flucht.
Irrtümlicher Angriff auf Zivilisten schon 2014
Das Militär erzielte zuletzt allerdings Fortschritte im Kampf gegen die Gruppe und erklärte im Dezember, der Konflikt sei in seine Endphase getreten. Generalmajor Irabor sagte zu dem versehentlichen Angriff, dies sei das Ergebnis der Wirren dieses Konflikts. Der Vorfall sei "bedauerlich" und zeige, "dass dieser Krieg beendet werden muss".
Im März 2014 hatte die nigerianische Luftwaffe im Kampf gegen Boko Haram schon einmal irrtümlich Zivilisten bombardiert. Ein Kampfflieger verwechselte das Dorf Kayamla im Bundesstaat Borno bei einem nächtlichen Einsatz mit einem Lager von Boko Haram und tötete fünf Menschen.
rk/qu (afp, kna)