Ehren-Oscars für vier verdiente Filmgrößen
26. Oktober 2019Spötter meinen, der Ehren-Oscar werde an all diejenigen verliehen, die bei den "normalen" Oscars immer leer ausgegangen sind. Der Ehren-Oscar sei also nur eine Art Wiedergutmachung für verpasste Oscars.
Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Richtig ist, dass es viele Filmschaffende gibt, die oft nominiert wurden, bei der Oscar-Gala dann gegenüber den anderen Nominierten aber immer den Kürzeren gezogen haben.
Manche heute berühmte Schauspieler oder Regisseure sind sogar nie nominiert worden. Ihr Ruhm hat sich entweder erst spät entwickelt, oder - auch dass müsste die Oscar-Akademie ehrlicherweise einräumen - die Akademiemitglieder haben es einfach verschlafen, verdiente Filmschaffende auf dem Höhepunkt der Karriere zu ehren.
Den Ehren-Oscar gibt es bereits seit 1929, dem Jahr, in dem in den USA auch der berühmteste Filmpreis der englischsprachigen Welt eingeführt wurde: Die Oscars. Charlie Chaplin bekam einen und das Film-Produktionsstudio "Warner Brothers" ebenfalls, weil Warner damals den ersten Tonfilm zur Aufführung in die Lichtspielhäuser gebracht hatte: "The Jazz Singer".
Seither hat es viele Ehren-Oscar-Preisträger gegeben, zunächst wurden auch - wie bei Warner - Unternehmen und Film-Organisationen ausgezeichnet. Auch einzelne Filme durften sich eine Zeit lang über Ehren-Oscars freuen, seit 1990 war damit Schluss, von nun an hieß es: Einen Ehren-Oscar gibt's nur für Einzelpersonen.
Und das sind die Ausgezeichneten im Jahr 2019:
Lina Wertmüller
Ihre große Zeit waren die 1970er Jahre, da drehte die 1928 in Rom geborene Filmregisseurin einen Hit nach dem anderen. Das fiel damals auch Hollywood auf. Für ihren Film "Sieben Schönheiten" wurde sie in der Kategorie "Beste Regie" für einen Oscar nominiert - als erste Frau überhaupt.
Damit trat sie damals in die Fußstapfen eines ihrer Förderer: Federico Fellini. Der hatte sie als Regieassistentin für sein Meisterwerk "Achteinhalb" verpflichtet. Wertmüller, die vom Theater kam, fand daran so viel Gefallen, dass sie noch im selben Jahr ihren ersten eigenen Film inszenierte: "Die Basilisken".
Doch sie musste noch ein paar Jahre warten, bis sie mit Filmen wie "Mimi, in seiner Ehre gekränkt" (1972), "Liebe und Anarchie" (1973), "Sieben Schönheiten" (1976) und "In einer Regennacht" (1978) große Erfolge beim Publikum und auch an den Kassen feiern konnte.
Lina-Wertmüller-Filme waren damals auch in den deutschen Programm-Kino ein Versprechen. Die heute 91-jährige Regisseurin verstand es in ihren besten Filmen ihr großes Temperament sowie ihre politische Einstellung in hochemotionale, sehr unterhaltsame und politisch aktuelle Filmerzählungen zu verschmelzen.
Geena Davis
Die amerikanische Schauspielerin Geena Davis bekommt - im Gegensatz zu den anderen am Sonntag (27.10. 2019) ausgezeichneten Ehren-Oscar-Preisträgern - die Statuette, die den Zusatztitel "Jean Hersholt Humanitarian Award" trägt. Auch das ist ein "richtiger" Oscar, betont aber vor allem ein soziales und humanitäres Engagement in der Filmindustrie.
Die 1956 im US-Staat Massachusetts geborene Davis hatte 2007 ein nach ihr benanntes Institut gegründet, das sich mit dem Thema Geschlechtergerechtigkeit in der Filmindustrie beschäftigt. Studien des Instituts kamen schnell zu dem wenig überraschenden Ergebnis: Frauen sind im US-Film unterrepräsentiert. Davis wurde damit zu einer wichtigen Vorreiterin bei einem heute vieldiskutierten Thema.
Zuvor hatte die Aktrice auch vor den Kameras Erfolge feiern können. Ihre große Zeit waren die späten 80er sowie die frühen 90er Jahre, als sie in Filmen wie "Die Reisen des Mr. Leary", "Thelma & Louise" und "Ein ganz normaler Held" mitwirkte. Für "die beste weibliche Nebenrolle" bekam sie damals für ihre Rolle in "Mr. Leary" einen Oscar.
Später hatte Geena Davis weniger Glück mit ihren Kinofilmen. Im neuen Jahrtausend schaffte sie jedoch ein Comeback, unter anderem mit Auftritten in Serien und TV-Filmen, für die sie auch Emmys und Golden Globes gewann.
David Lynch
Das bekannteste Gesicht unter den vier Ehren-Oscar-Preisträgern. Und der klassische Fall eines Filmschaffenden, der längst einen Oscar verdient hätte. Der amerikanische Regisseur darf als einer der einflussreichsten Filmkünstler der Gegenwart gelten - ein Quentin Tarantino wäre ohne den Einfluss Lynchs kaum vorstellbar.
David Lynch hat Wegweisendes auf vielen Gebieten zustande gebracht. Sein Kinodebüt "Eraserhead" von 1977 erfand das Mitternachtskino: Filme, außerhalb der großen Studios produziert, am besten dem Horror-Genre zugewandt, das funktionierte bei einem studentischen Publikum gut, auch in Deutschland.
"Der Elefantenmensch" von 1980 ist auch heute noch einer der besten amerikanischen Filme aus jenen Jahren - humanistisch, ästhetisch aufregend, von Anthony Hopkins grandios gespielt. Mit Filmen wie "Blue Velvet" (1986) und "Wild at Heart" (1990) fand er dann zu einem einzigartigen Stilmix - auch für ein größeres Publikum: der Blick hinter bürgerliche Fassaden, wo sich Alltagshorror und Gegenwartswahnsinn abspielte, wurde zum Markenzeichen von David Lynch.
Eine weitere Großtat: Seine Fernsehserie "Twin Peaks" von 1990/91 wies Jahre vor dem Serien-Hype unserer Tage darauf hin, dass auch auf der kleinen Mattscheibe Kunst und Unterhaltung zusammenfinden können. Der Ehren-Oscar für Lynch kommt also zu Recht, wenn auch spät: Die großen europäischen Festivals in Cannes und Venedig haben den Amerikaner längst mit den allerhöchsten Preisen bedacht.
Wes Studi
Als erster amerikanischer Schauspieler mit indigenen Wurzeln bekommt Wes Studi einen Ehren-Oscar. Die Oscar-Akademie bemüht sich seit einiger Zeit um mehr Diversität bei ihren Auszeichnungen. Doch der 1947 in Oklahoma geborene Wes Studi ist zweifellos ein großartiger Schauspieler, der 1990 weltweit Aufsehen erregte, als er an der Seite von Kevin Costner im Spät-Western "Der mit dem Wolf tanzt" zu sehen war.
Der in einem Indianerreservat aufgewachsene Studi, der dem Volk der Cherokee angehört, spielte danach in zahlreichen Hollywood-Filmen mit. Darunter finden sich einige Western, u.a. aber auch Kriminal- und Fantasyfilme. Zu den bekanntesten Auftritten von Wes Studi gehören Rollen in "The Doors" von Oliver Stone (1991), in Michael Manns "Der letzte Mohikaner" (1992) sowie in "Heat (1995).
Auch im Welterfolg "Avatar" (2009) und zuletzt in "Feinde" (2017) war der Schauspieler zu sehen. Eine Paraderolle spielte Wes Studi 1993 in Walter Hills Western "Geronimo", in dem er die Titelrolle verkörperte: den aufrechten und mutigen Indianerhäuptling Geronimo, der lange Zeit den weißen US-Truppen Widerstand leistete.