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Vierer-Plan bringt Merkel in die Bredouille

25. Juni 2012

Akute und brisante Operationen an den Schulden-Patienten werden auch den kommenden EU-Gipfel bestimmen. Auf den Tisch kommen aber auch Pläne zu tiefgreifenden Reformen: vorgelegt von hochkarätigen "vier Präsidenten".

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Bundeskanzlerin Angela Merkel (Foto: dpa)
Angela Merkel Porträt 2012Bild: picture-alliance/dpa

Ja, es gibt einen Plan, und nicht nur zur umstrittenen Bankenunion. Was europäische Diplomaten lange geleugnet oder zumindest bezweifelt hatten, kommt nun nach einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters auf die Tagesordnung des Brüsseler EU-Gipfels am Donnerstag: Neben der Bankenunion mit einem gemeinsamen Einlagensicherungsfonds geht es dem Vernehmen nach um direkte Finanzhilfen des ESM-Rettungsschirms an die Banken und einen Fonds zur gemeinsamen Tilgung von Altschulden, allesamt bestens geeignet, massiven Widerstand von Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihrer Regierung zu provozieren.

Beim Sondergipfel im Mai waren vier europäische "Präsidenten" beauftragt worden, Ideen für eine stärkere Einigung Europas und eine Fortentwicklung der Euro-Zone zu erarbeiten: EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy, EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso, Euro-Gruppenchef Jean-Claude Juncker und der Chef der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi. Was danach aussah, diese großen Projekte damit möglicherweise erst einmal auf die lange Bank zu schieben, soll nun rasch angepackt werden. Das Papier der "Vierer-Gruppe" wird laut Agenturberichten zum Gipfel in Brüssel erwartet, die Vorschläge sollen bereits in die Hauptstädte versandt worden sein.

Neue Perspektiven durch Quartett der "Präsidenten"?

All dies soll möglichst schnell umgesetzt werden, während Deutschland soviel gemeinsame Haftung nur zulassen will, wenn die europäische Ebene die nationale Haushaltshoheit begrenzt - ein Projekt, das sich viele erst für die ferne Zukunft vorstellen wollten. Der Fahrplan des "Quartetts" soll die Finanzmärkte davon überzeugen, dass die Euro-Länder zu einschneidenden politischen Reformen bereit sind, um die Gemeinschaftswährung zu retten.

Doch zum einen sind für Kanzlerin Merkel mehr finanzielle Verpflichtungen für die Gemeinschaft ohne durchgreifende Kontrolle über die nationale Haushaltspolitik nicht vorstellbar. Zum anderen sind die meisten anderen Staaten aber auch nicht bereit, wie von Deutschland gefordert nationale Souveränität an Europa abzugeben. Es wird deshalb befürchtet, dass der kommende Gipfel dazu nur wenig Greifbares erreicht und die Erwartungen im Vorfeld viel zu hoch geschraubt wurden.

Priorität für Bankenunion

In dem Konzept der vier "Präsidenten" ist die Idee der Bankenunion am ausführlichsten ausgearbeitet. Sie würde aus einer europäischen Aufsicht sowie gemeinsamen Fonds der EU-Staaten - oder zumindest der Euro-Länder - zur Einlagensicherung und zur Bankenabwicklung bestehen. Die EU-Kommission hatte bereits angekündigt, bei grünem Licht von den Staats- und Regierungchefs im Herbst dazu Gesetzentwürfe vorlegen zu können. Nach Ansicht von EU-Diplomaten wäre das innerhalb eines Jahres zu realisieren.

Die deutsche Bundesregierung ist zwar zu einer stärkeren europaweiten Aufsicht bereit - aber eine gemeinsame Haftung als letzter Bankenretter in der Not kann nach der Berliner Position erst eingeführt werden, wenn eine Fiskalunion besteht - mit Eingriffsmöglichkeiten einer europäischen Instanz in die nationale Etatsouveränität. Doch das erfordert langwierige Änderungen des EU-Vertrages, eine Grundgesetzänderung und nach jüngsten Erklärungen von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble in Deutschland auch eine Volksabstimmung über eine neue Verfassung.

SC/ml (rtr,dpa)