Vierzig Jahre danach: Erinnern an den Prager Frühling
15. August 2008An diese Nacht vor vierzig Jahren, in der Truppen der Wahrschauer Pakt-Staaten in die Tschechoslowakei einmarschierten, erinnern wir in diesem Treffpunkt Europa. Doch der Prager Frühling war viel mehr als sein abruptes Ende. Marlis Schaum fasst die wichtigsten Ereignisse für uns zusammen.
Erinnerung, nein danke?
Der Prager Frühling wurde zwar jäh beendet, doch er hat Spuren hinterlassen. Denn für einen Wimpernschlag der Geschichte schien es im starren Systemgegensatz von West und Ost plötzlich möglich, einen dritten Weg zu denken, einen "Sozialismus mit menschlichem Antlitz". Für diesen Mut werden die Reformer von damals in Westeuropa heute als Helden angesehen.
Im heutigen Tschechien ist die Erinnerung zwiespältiger. "Die Zeit von 1968 und danach ist tabu", sagt etwa der Verleger Tomas Kosta, der auf Seiten der Reformer stand und 1968 emigrierte. Ein Teil der politischen Elite interpretiere die Ereignisse immer noch als Auseinandersetzung zwischen zwei kommunistischen Gruppen. Darüber, wie die Stimmung kurz vorm historischen Stichtag in der tschechischen Gesellschaft ist, berichtet Bara Prochazkova von Radio Prag.
Unbequeme Vergangenheitsbewältigung
Neben der Sowjetunion beteiligten sich Polen, Ungarn und Bulgarien am Einmarsch in die Tschechoslowakei. Vor allem in Ungarn war die Beteiligung an dem Einmarsch im Nachbarstaat umstritten. Und auch dort tut man sich immer noch schwer damit, diesen Teil der eigenen Geschichte zu bewältigen. Darüber berichtet Christian Erdei vom ungarischen Rundfunk.
Im Interview: Dieter Segert
Außerdem hören wir die Einschätzung von Dieter Segert. Als 16-Jähriger verfolgte er die Ereignisse des August 1968 in Prag aus der DDR, heute ist er Politikwissenschaftler an der Universität Wien. Segert hat intensiv zum politischen Wandel Osteuropas geforscht und nun ein neues Buch zum Prager Frühling vorgelegt: "Prager Frühling. Gespräche über eine europäische Erfahrung", erschienen im Braumüller Verlag