Vietnams Position im Territorialkonflikt
18. Oktober 2014Trotz Taifunsaison baut China seine Präsenz im Südchinesischen Meer weiter aus. Aktuelle Satellitenbilder der Abteilung "Defence and Space" des Flugzeugherstellers Airbus (Artikelbild) belegen den Bau einer künstlichen Insel auf den Gaven-Riffen, die von China, Vietnam und den Philippinen beansprucht werden. Die Riffgruppe gehört zu den seit Jahrzehnten umstrittenen Spratly-Inseln und liegt auf halber Strecke zwischen Vietnam und den Philippinen mitten im Südchinesischen Meer.
Wie der militärische Informationsdienst Jane's berichtete, seien dadurch etwa 114.000 Quadratmeter Neuland entstanden. Die neue Insel liegt nur wenige Seemeilen nördlich einer anderen künstlichen Insel, die China im Mai 2014 auf dem Johnson-Riff errichtet hat, das ebenfalls von Vietnam beansprucht wird. "China will Fakten schaffen", so Carlyle Thayer, emeritierter Vietnamexperte von der Universität New South Wales in Australien. Die Volksrepublik baue ihre Infrastruktur aus, um die Fischerei sowie Öl- und Gasexploration zu unterstützen. Sie werde sicherlich auch elektronische Sensoren und Radare auf den Inseln platzieren, um die Region besser überwachen zu können. Für ganze Militärbasen seien die Plattformen allerdings zu klein. "In jedem Fall aber wird sich die Präsenz chinesischer Küstenwachschiffe verstärken", sagt Thayer.
Waffen für Vietnam
Aber auch andere Konfliktparteien bleiben nicht untätig. Anfang des Monats hat die US-Regierung das Waffenembargo gegenüber Vietnam teilweise aufgehoben. Ab sofort ist die Lieferung defensiver Waffensysteme möglich. Bereits seit 2009 hat Vietnam an einer Rücknahme des US-Embargos gearbeitet. Thayer erklärt, warum es gerade jetzt soweit ist: "Vietnam und die USA haben im Südchinesischen Meer konvergente Sicherheitsinteressen." Es gehe den USA darum, die chinesische Expansion in der Region einzudämmen, ohne selbst direkt involviert zu werden. Bisher habe keine Initiative von Seiten der Anrainerstaaten im Südchinesischen Meer die Volksrepublik China von ihrem Kurs abbringen können. Deswegen setze Vietnam auch auf die militärische Karte. "Jetzt, da Vietnam seine Marine verstärkt, steigt das Risiko für China." Mit wachsender vietnamesischer Schlagkraft könne China nicht mehr hoffen, folgenlos davonzukommen, meint Carlyle Thayer.
Lösung im Völkerrechtsrahmen
Zeitgleich betonte der vietnamesische Premierminister Nguyen Tan Dung bei seinem Europa-Besuch im exklusiven Interview mit der Deutschen Welle, wie wichtig eine Lösung des Konflikts auf Grundlage des Völkerrechts und der UN-Charta der Vereinten Nationen sei. In dem Gespräch betonte Nguyen Tan Dung: "Die Außenpolitik Vietnams hat ein unabänderliches Prinzip: Wir bauen keine Allianzen zu einem Land auf, um ein anderes zu bekämpfen." Nguyen Tan Dung will sein Land offensichtlich aus Konflikten zwischen China und den USA soweit wie möglich heraushalten. Verständlich für ein Land, dass unter den Kämpfen des Kalten Kriegs besonders gelitten hat.
Bei einem Vortrag im gut besuchten Ballsaal des Berliner Hotel Adlon sagte er außerdem: "Kein Staat allein, auch keine Supermacht, kann die Herausforderungen des Konflikts allein lösen." Er dankte für die Unterstützung der Europäischen Union und insbesondere Deutschlands, die mit Nachdruck für eine friedliche Lösung des Territorialstreits im Rahmen des Völkerrechts einträten.
Vorstoß der Philippinen
Auf die Nachfrage aus dem Publikum, ob Vietnam die juristische Initiative der Philippinen unterstütze, antwortete der Premierminister Nguyen Tan Dung ausweichend. Die Philippinen, die ebenfalls in den Territorialstreits im Südchinesischen Meer verwickelt sind, streben als einziges Land der Region eine juristische Lösung an. Sie wollen die zuständigen internationalen Institutionen entscheiden lassen, den Seegerichtshof in Hamburg und das Schiedsgericht in Den Haag. China verweigert bisher jede Teilnahme an dem Verfahren. Vietnams Premierminister hält den Vorstoß der Philippinen nach eigener Aussage für vielversprechend. Wie sich sei Land offiziell zu dem Verfahren positioniert, ließ er aber offen.