Vizepräsident JD Vance: Der bekehrte Aufsteiger

JD Vance ist der 50. Vizepräsident der Vereinigten Staaten, Stellvertreter von Donald Trump und möglicherweise die Zukunft von Trumps populistischer Bewegung "Make America Great Again" (MAGA).

Geboren als James David Bowman wuchs der heute 40-Jährige in einer kleinen Stahlarbeiterstadt in Ohio auf. Über entscheidende Strecken seiner Jugend lebte er bei seinen Großeltern mütterlicherseits, deren Erziehung ihn - wie Vance in seiner 2016 erschienen Autobiografie erklärt - in die Lage versetzte, den Weg aus der weißen Unterschicht zu finden.

Der wahrgewordene Amerikanische Traum

Nach seinem Highschool-Abschluss trat er den US-Marines bei und diente sechs Monate als Berichterstatter, ohne direkt in Kampfhandlungen verwickelt zu werden. Danach absolvierte er Abschlüsse an der Ohio State University und der renommierten Yale Law School. In Yale lernte er auch seine Ehefrau Usha Chilukuri kennen. Anlässlich der Hochzeit nahm er den Nachnamen seiner Großeltern, Vance, an. Beruflich machte er sich nach einer kurzen Anstellung als Anwalt mit einer Risikokapitalfirma selbständig.

Laut "New York Times" lernte Vance durch Vermittlung des in Deutschland geborenen Silicon-Valley-Milliardärs Peter Thiel 2021 Donald Trump kennen, trat im selben Jahr der Republikanischen Partei bei und wurde 2022 Senator für seinen Heimatstaat Ohio.

Nun tritt Vance die Nachfolge von Kamala Harris als Vizepräsident an. Die 60-Jährige unterlag Trump als Kandidatin der Demokratischen Partei bei der Präsidentschaftswahl im November.

Die Rolle des Vizepräsidenten

Seit der Ermordung von John F. Kennedy 1963 hat die Vizepräsidentschaft an Bedeutung gewonnen. Der damalige Vizepräsident Lyndon B. Johnson legte nur wenige Stunden nach der Ermordung an Bord der Air Force One den Präsidenten-Eid ab. Schlagartig wurde klar, was es bedeuten kann, wozu die US-Verfassung das Amt des Vizepräsidenten vorsieht: Er übernimmt das Kommando, wenn der Präsident aufgrund von "Tod, Rücktritt oder Unfähigkeit, die Befugnisse und Pflichten des Amtes auszuüben", nicht in der Lage ist, seine Aufgaben zu erfüllen.

Das bedeutet, der Vizepräsident kann das Präsidentenamt auch übernehmen, wenn er und eine Mehrheit des Kabinetts den Präsidenten für amtsunfähig befinden.

Zudem ist der Vizepräsident laut Verfassung auch Vorsitzender des US-Senats und kann bei Stimmengleichheit den Ausschlag geben.

In jüngster Zeit haben Präsidentschaftskandidaten die Wahl ihres Vizepräsidenten genutzt, um Wählergruppen anzusprechen, die sie selbst nicht so gut erreichen. Trumps Kandidat für die Wahl 2020, Mike Pence, brachte ihn mit dem konservativen evangelikalen Flügel der Republikanischen Partei in Kontakt. Joe Bidens Wahl von Harris im Jahr 2020 wurde als Schritt gesehen, seinem Alter und Geschlecht eine deutlich jüngere Frau entgegenzustellen und um die erste schwarze Person und erste Person mit asiatischen Wurzeln in das Amt zu heben.

Ein zukünftiger Präsident?

Nach zwei Amtszeiten kann Donald Trump 2028 laut Verfassung nicht erneut für das Präsidentenamt kandidieren. Seine Vizepräsidentschaft könnte Vance dann einen Vorteil in der parteiinternen Vorwahl der Republikaner gegenüber anderen Parteigrößen verschaffen.

Außerdem unterstützen ihn viele wichtige Akteure innerhalb der Republikanischen Partei und der MAGA-Bewegung, darunter Trumps Sohn Donald Jr. und Silicon-Valley-Milliardäre wie Peter Thiel, Elon Musk und David Sacks.

Während Trump in den nächsten vier Jahren die Schlagzeilen beherrschen dürfte, wird man Vances Haltung zu wichtigen politischen Themen wie Abtreibung, Einwanderung und Außenpolitik genau beobachten. Und wie seine Positionen die republikanische Partei in der Zeit nach Trump prägen könnten.

Zudem ist die Wahrscheinlichkeit, dass Vance schon in den nächsten vier Jahren das Oval Office übernimmt, höher als sonst: Trump ist mit seinen 78 Jahren noch ein halbes Jahr älter als Joe Biden bei seinem Amtseid, der bisher älteste US-Präsident der Geschichte.

Vom Trump-Gegner zum MAGA-Kronprinzen

Vance wurde 2016 schlagartig bekannt, als seine Autobiografie erschien: "Hillbilly-Elegie. Die Geschichte meiner Familie und einer Gesellschaft in der Krise" wurde zum Bestseller und als intimer Einblick in die Lebensrealität der Menschen im "Rust Belt" gelobt, dem industriell geprägten Gebiet im Nordosten der USA, in der sich die Stahlbranche seit den 1970er Jahren im Niedergang befindet. 

Vance wurde in Fernseh- und Radiostudios eingeladen, um seine Heimatregion und die Realität der Menschen dort zu erklären. In einem Interview mit dem öffentlich-rechtlichen Radio NPR gab er damals an, er könne Trump nicht ertragen und würde wohl für Hillary Clinton stimmen.  Zugleich sagte er jedoch voraus, dass das Trump-Phänomen getragen würde von der Unterstützung der weißen Arbeiterklasse: "Sie sind nicht unbedingt bettelarm, fühlen sich jedoch in gewisser Weise kulturell isoliert und blicken pessimistisch auf die Zukunft. Das ist einer der größten, wenn nicht der größte Faktor, warum jemand Donald Trump unterstützt."

Und er behielt Recht: Genau hier - in den Swing-States Wisconsin, Michigan und Pennsylvania - verschafften die Wähler Trump 2016 und 2024 entscheidende Mehrheiten für dessen Wahlsiege.

Vance ruderte mit seiner öffentlichen Meinung zu Trump zurück, als er 2022 Kandidat der Republikaner für die Wahl zum US-Senator seines Heimatbundesstaates Ohio werden wollte. Mit Trumps Unterstützung gewann Vance die parteiinternen Vorwahlen - und zog letztlich in den US-Senat ein.

Dieser Text wurde aus dem Englischen adaptiert.