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Vom Elektriker zum Stardirigenten

Thomas Mau19. Dezember 2015

Er war ein Stardirigent und inspirierte nicht nur mit seiner Musik. Kurt Masur war eine Symbolfigur der Wende in Deutschland und sogar für das Amt des Bundespräsidenten im Gespräch. Nun verstarb er mit 88 Jahren.

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Kurt Masur steht am 13.09.2013 in Peenemünde (Mecklenburg-Vorpommern) bei einem Sonderkonzert zum Jubiläum des 20. Usedomer Musikfestivals am Dirigentenpult. Am 12.10.2013 geht das 20. Usedomer Musikfestival zu Ende. Foto: Bernd Wüstneck/dpa
Bild: picture-alliance/dpa/B. Wüstneck

Als Kurt Masur 1991 die musikalische Leitung des New York Philharmonic Orchestra übernahm, eilte ihm der Ruf des bärbeißigen Preußen voraus, der ein Orchester mit Disziplin und Durchsetzungsvermögen zu Höchstleistungen bringen konnte. Schon in den zehn Jahren zuvor hatte Masur das älteste Orchester der Vereinigten Staaten immer wieder dirigiert, aber unter seiner Leitung fanden sie zu ihrer alten Inspiration und Präzision zurück. Manch ein Kritiker mag es dem unter den Bedingungen der DDR-Kulturpolitik aufgewachsenen Dirigenten nicht zugetraut haben, dass er sich so schnell auf dem amerikanischen Kulturmarkt zurechtfand. Aber ihm gelang es durch eine kluge Programmgestaltung und zusätzliche Konzerte am Nachmittag die New Yorker für sein Orchester zu begeistern.

Schwerpunkt im Konzert

Kurt Masur wurde am 18. Juli 1927 im schlesischen Brieg geboren. Nach einer Lehre als Elektriker und einem kurzen Kriegsdienst schrieb er sich 1946 am Leipziger Konservatorium ein und studierte Klavier, Komposition und Dirigieren. Nach Stationen als Kapellmeister in Erfurt, Leipzig, Dresden und Schwerin verpflichtete ihn schließlich der berühmte Regisseur Walter Felsenstein 1960 als Chefdirigent an die Komische Oper in Berlin. Trotz der einflussreichen Position gab Masur die Stelle in Berlin auf und wurde für drei Jahre freischaffender Dirigent. Rückschauend beschrieb er einmal die Arbeit mit Felsenstein als die wichtigste Zeit seines Lebens. Aber als er 1964 gekündigt habe, sei ihm klar gewesen, dass sein Schwerpunkt im Konzert liegen müsse.

Kurt Masur 2014 (Foto: Imago/Sebastian Willnow)
Bild: Imago/S. Willnow

1970 wurde Kurt Masur Gewandhauskapellmeister in Leipzig. Mehr als fünfundzwanzig Jahre lang führte er das älteste deutsche Konzertorchester. So lange wie nur ganz wenige seiner Vorgänger, darunter der von ihm verehrte Arthur Nikisch, der 1916 die erste Konzertreise des Orchesters in das Ausland geleitet hatte. Unter Masur gastierte das Gewandhausorchester viele hundert Mal in aller Welt. Mit seinen zahlreichen Tourneen und mehr als einhundert Schallplatten trug Masur entscheidend zum internationalen Rang des Leipziger Orchesters bei. "Es ist dem Orchester und mir gelungen die Menschen für uns zu gewinnen. Sie hatten das Gefühl, dass wir für sie Konzerte spielten mit einem ganz bestimmten Anliegen, mit dem Anliegen, ihnen für das Leben Kraft zu geben, und ganz gleich in welcher Position sie sich befanden oder in welcher Situation sie sich befanden", sagte Kurt Masur über seine Stellung in Leipzig.

Politisches Engagement

Dank seines diplomatischen Geschicks erkämpfte er für die Künstler immer wieder Freiräume. Ihm gelang es auch gegen den Widerstand der Parteispitze den Neubau des Gewandhauses durchzusetzen. Am Morgen des 9. Oktober 1989 wollte Masur eigentlich mit dem Gewandhausorchester den "Till Eulenspiegel" von Richard Strauss proben. Aber er befürchtete, dass es bei den legendären Montags-Demonstrationen, die die DDR erschütterten, zu einem Blutbad kommen könnte. Gemeinsam mit fünf anderen Prominenten aus Politik und Kultur veröffentlichte er einen Aufruf zur Gewaltlosigkeit. In diesem Leipziger Postulat hieß es unter anderem zur Kultur: "Die demokratische Erneuerung in unserem Land werden wir auch daran messen, dass jede Form von versteckter oder öffentlicher Zensur für immer unmöglich gemacht wird." Als "Politiker wider Willen" - wie er selbst sagte - wurde Kurt Masur zum "Retter von Leipzig".

Zahlreiche Auszeichnungen

Zeitweise war er sogar als Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten im Gespräch. In der zweiten Hälfte der neunziger Jahre verdichteten sich die Gerüchte, dass Masur sein Amt als Chef des Gewandhausorchesters aufgeben wolle. 1997 zog dann der erste Ehrendirigent in der 250-jährigen Geschichte des Orchesters einen Schlussstrich. Unter anderem, weil er in Leipzig einen Kulturabbau befürchtete: "Da ich neuerdings nur gebraucht werde, um abzubauen", sagte er, "was ich aufgebaut habe, bin ich nicht mehr richtig am Platz." Bald darauf überraschte er mit seiner Entscheidung, auch von seinem Posten als Leiter der New Yorker Philharmoniker zurückzutreten. Er wolle sich verstärkt auf seine Aufgaben als Dirigent in London und Paris konzentrieren, verkündete er zur Überraschung der New Yorker. Es sei Liebe auf den ersten Blick gewesen, schwärmte er von seiner Position als Direktor des Orchestre National de France. Kurt Masur stellte sich noch einmal einer neuen Aufgabe. Die jungen Orchestermitglieder seien ehrgeizig, bereit hart zu arbeiten und sie hätten das Zeug, zur Spitze vorzustoßen.

Mit 85 Jahren und gesundheitlich durch eine Parkinson-Erkrankung gezeichnet, musste sich ein Kurt Masur eigentlich nichts mehr beweisen. Und dennoch gab er - nach der Premiere in Dresden - im Dezember 2012 ein Gastspiel mit den Dresdner Philharmonikern in der Philharmonie im Münchner Gasteig (hier können Sie das Konzert nachhören!) Seine Beisetzung soll nach Angaben der New Yorker Philharmoniker im privaten Kreis stattfinden. Zudem soll es eine öffentliche Gedenkveranstaltung geben.